Die internationalen Finanzmärkte stehen vor einem entscheidenden Wendepunkt. Während die US-Regierung ihre aggressive Handelspolitik vorantreibt, zeigen sich weltweit unterschiedliche Reaktionsmuster – von schwächelnden Wirtschaftsdaten bis hin zu überraschenden Währungsverschiebungen.
Handelspolitik als Marktschreck
Die Unsicherheit um die US-Zollpolitik erreicht einen neuen Höhepunkt. Am 9. Juli läuft die Aussetzung der "Vergeltungszölle" aus, die derzeit bei 10 Prozent liegen, aber auf bis zu 70 Prozent ansteigen könnten. UBS-Analysten warnen vor einem "erheblichen Einfluss" auf die Weltwirtschaft, da die gewichtete durchschnittliche US-Importabgabe bereits auf 16 Prozent gestiegen ist – ein Anstieg um 2 Prozent seit Jahresbeginn.
Diese Entwicklung entspricht einer Steuerbelastung von 500 Milliarden Dollar für US-Importeure. Gleichzeitig zeigen sich die Auswirkungen bereits in den Wirtschaftsdaten: Die harten Konjunkturindikatoren verschlechtern sich schneller als die Stimmungsindikatoren sich verbessern. Capital Economics betont jedoch, dass die Zollunsicherheit die US-Märkte nicht zum Entgleisen bringen dürfte – amerikanische Aktien notieren weiterhin nahe Allzeithochs.
Eurozone kämpft mit Konjunkturschwäche
Während die USA ihre Handelspolitik verschärfen, zeigt sich in der Eurozone eine bedenkliche Wirtschaftsschwäche. Die Einzelhandelsumsätze brachen im Mai um 0,7 Prozent ein, nachdem sie zu Jahresbeginn noch Stärke gezeigt hatten. Parallel dazu sank die Dienstleistungsaktivität im April um 0,3 Prozent.
ING-Analysten sehen in diesen Daten eine Bestätigung ihrer Prognose für ein negatives Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal. Die Sparquote steigt aufgrund hoher Unsicherheit, während das Verbrauchervertrauen niedrig bleibt. Dieser Trend könnte europäische Handelsviertel langfristig belasten.
Deutschland überrascht mit Optimismus
Einen Lichtblick bietet überraschenderweise Deutschland. UBS-Ökonomen berichten nach Gesprächen in Berlin von einer deutlich besseren Stimmung als in den Vorjahren. Die neue Regierung wirke "ernsthaft um Veränderungen bemüht" und zeige Interesse daran, ihr Ansehen bei internationalen Investoren zu verbessern.
Ein massives Fiskalpaket mit Fokus auf Verteidigung und Infrastruktur soll das Wachstum ankurbeln. Über 12 Jahre verteilt sich ein 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds, während die Verteidigungsausgaben steigen. Die meisten Prognostiker haben ihre BIP-Prognosen für 2025 auf über 1 Prozent angehoben – UBS erwartet 1,2 Prozent.
Währungsmärkte in Aufruhr
Die Handelspolitik wirkt sich gravierend auf die Währungsmärkte aus. Der Dollar verzeichnet das schlechteste erste Halbjahr seit 1973 mit einem Rückgang von 11 Prozent. Chinas Zentralbank führte vergangene Woche eine Umfrage über die Dollar-Schwäche durch, was als Zeichen der Sorge über eine starke Yuan-Aufwertung interpretiert wird.
Divergierende Zinspolitik
Die geldpolitischen Aussichten zeigen regionale Unterschiede auf. Während die Federal Reserve aufgrund der Zollunsicherheit weiterhin zögert, rechnet Capital Economics nicht mit US-Zinssenkungen in diesem Jahr. In Südafrika hingegen sieht die Lage anders aus: Eine deutlich größere negative Produktionslücke könnte Raum für Zinssenkungen auf 5,75 Prozent schaffen, da die Inflation konstant unter den Erwartungen liegt.
Ausblick auf volatile Zeiten
Die kommenden Wochen werden entscheidend für die Marktrichtung. Während Trump ankündigt, Handelspartnern bis zum 9. Juli neue Zollsätze mitzuteilen, bereiten sich die Märkte auf weitere Volatilität vor. Die Veröffentlichung der Fed-Sitzungsprotokolle am Mittwoch könnte zusätzliche Einblicke in die US-Geldpolitik liefern.
Die globale Wirtschaft steht vor einem Spannungsfeld zwischen protektionistischen Tendenzen und dem Bedürfnis nach internationaler Zusammenarbeit. Während einige Regionen wie Deutschland überraschend optimistisch in die Zukunft blicken, kämpfen andere mit konjunkturellen Herausforderungen. Die Märkte müssen sich auf eine Phase erhöhter Unsicherheit einstellen, in der handelspolitische Entscheidungen zunehmend die Kursrichtung bestimmen werden.