Die diplomatischen Spannungen zwischen Thailand und Kambodscha drohen ein lukratives Handelsabkommen mit den USA zu gefährden. Was zunächst nach einem klassischen Nachbarschaftskonflikt aussah, entwickelt sich zum Belastungstest für Bangkoks außenwirtschaftliche Ambitionen – und zeigt einmal mehr, wie schnell geopolitische Querelen wirtschaftliche Chancen zunichtemachen können.
Waffenstillstand wird zur Handelshürde
Die USA haben Thailand am Freitagabend überraschend mitgeteilt, dass Verhandlungen zur Finalisierung eines bilateralen Handelsabkommens vorerst ausgesetzt werden. Der Grund: Bangkok hatte zuvor den von Washington vermittelten Waffenstillstand mit Kambodscha für beendet erklärt und eine Entschuldigung von Phnom Penh gefordert. Thailändische Soldaten waren angeblich durch neu verlegte Landminen verletzt worden – ein Vorwurf, den Kambodscha vehement zurückweist.
Das Office of the U.S. Trade Representative machte in einem Schreiben deutlich: Die Handelsgespräche können erst fortgesetzt werden, wenn Thailand sein Bekenntnis zur gemeinsamen Waffenstillstandserklärung erneuert. Eine pikante Wendung für ein Abkommen, das erst im Oktober seinen Rahmen erhalten hatte und Thailand erhebliche wirtschaftliche Vorteile versprach.
Trumps nächtliche Intervention
Doch die Geschichte nahm eine unerwartete Wendung. Nach einem spätnächtlichen Telefonat zwischen Präsident Donald Trump und Thailands Premierminister Anutin Charnvirakul am Freitag verkündete Bangkok am Samstagmorgen, die Handelsgespräche würden doch weitergehen. Ein Regierungssprecher stellte klar: „Die Zollverhandlungen werden fortgesetzt und bleiben von den Grenzfragen getrennt.“
Trump selbst hatte nach den Gesprächen mit beiden Länderchefs optimistisch getönt, die Sache werde „gut ausgehen“. Allerdings erwähnte er mit keinem Wort die angebliche Suspendierung der Handelsgespräche – auch auf den Websites des Weißen Hauses und des USTR fand sich dazu kein Hinweis. Ein bemerkenswertes Kommunikationschaos für eine Administration, die sonst jeden Handelsdeal medienwirksam inszeniert.
Das Tarifpoker-Spiel
Das geplante Handelsabkommen sieht vor, dass die USA zunächst einen Zollsatz von 19 Prozent auf thailändische Produkte beibehalten, während beide Seiten Produktkategorien identifizieren, bei denen Tarife reduziert oder auf null gesenkt werden könnten. Für Thailand steht viel auf dem Spiel: Das Land exportiert Waren im Wert von Milliarden Dollar in die Vereinigten Staaten.
Premierminister Anutin nutzte das Telefonat mit Trump, um eine Senkung des 19-Prozent-Tarifs zu fordern. Trumps Antwort war typisch: Der Satz sei bereits niedrig, aber er würde eine Reduktion in Erwägung ziehen – sofern die Räumung der Landminen an der kambodschanischen Grenze zügig abgeschlossen werde. Eine klassische Trump’sche Verknüpfung scheinbar unabhängiger Themen zu einem Gesamtpaket.
Zwischen Diplomatie und Wirtschaftsinteressen
Die Episode offenbart ein grundsätzliches Dilemma moderner Handelspolitik: Wirtschaftliche Abkommen lassen sich nicht mehr von geopolitischen Realitäten trennen. Washington nutzt seine Handelsmacht zunehmend als Druckmittel für außenpolitische Ziele – eine Strategie, die sich durch Trumps gesamte Amtszeit zieht.
Für Thailand bedeutet dies einen Balanceakt. Das Land muss seine territorialen Interessen gegenüber Kambodscha wahren, darf aber gleichzeitig die USA nicht vor den Kopf stoßen. Der nächtliche Kurswechsel nach Trumps Anruf zeigt, wer in dieser Konstellation das längere Ende des Hebels hält.
Perspektive und Risiken
Die weitere Entwicklung bleibt ungewiss. Zwar sollen die Verhandlungen nun fortgesetzt werden, doch ein finales Abkommen muss noch ausgearbeitet, verhandelt und schließlich unterzeichnet werden. Jede neue Eskalation an der thailändisch-kambodschanischen Grenze könnte den fragilen Prozess erneut gefährden.
Die Tatsache, dass selbst nach Trumps vermeintlicher Entwarnung keine offizielle Stellungnahme des USTR erfolgte, wirft Fragen auf. Handelt es sich um echte Entspannung oder lediglich um eine temporäre Beruhigung? Thailändische Unternehmen, die auf besseren Marktzugang in den USA hoffen, werden die kommenden Wochen nervös verfolgen.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: In Zeiten protektionistischer Tendenzen und transaktionaler Diplomatie können selbst Landminen an einer fernen Grenze über Milliarden-Handelsdeals entscheiden.


