Die globalen Finanzmärkte stehen vor einer komplexen Gemengelage: Während die großen Zentralbanken weiterhin gegen hartnäckige Inflation kämpfen, sorgen geopolitische Spannungen und Handelskonflikte für zusätzliche Unsicherheit. Gleichzeitig zeigt sich eine bemerkenswerte Kluft zwischen den Währungsräumen – mit teils drastisch unterschiedlichen geldpolitischen Ansätzen.
Geldpolitische Divergenz prägt die Märkte
Die Unterschiede in der Geldpolitik werden immer deutlicher. Während die US-Notenbank Fed gespalten über den weiteren Zinskurs diskutiert, hält die Türkei ihre Leitzinsen bei extremen 46 Prozent. Diese Divergenz spiegelt die unterschiedlichen Inflationsherausforderungen wider, denen sich die Zentralbanken gegenübersehen.
Die Fed-Entscheider haben sich laut BCA Research in zwei Lager aufgeteilt: Sieben Mitglieder erwarten keine Zinssenkungen mehr in diesem Jahr, während acht eine Lockerung um 50 Basispunkte bis Ende 2025 für möglich halten. Der Streitpunkt: Werden Donald Trumps angekündigte Zölle zu einem nachhaltigen Inflationsschub führen oder nur vorübergehende Effekte haben?
HSBC prognostiziert drei Zinssenkungen der Fed bis März 2025 und sieht dadurch weiteren Abwärtsdruck auf den Dollar. Die Bank erwartet Senkungen im September und Dezember dieses Jahres sowie eine weitere Reduktion im März 2025.
Europäische Zentralbank signalisiert Lockerung
In Europa zeigt sich ein anderes Bild. EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel sieht die Inflationsbekämpfung als "nahezu vollendete Mission" an, nachdem die Teuerung im Euroraum auf 1,9 Prozent gefallen ist. Die Bank bewege sich nun in "neutralem Territorium" der Geldpolitik.
Noch deutlicher wird der französische Zentralbankchef François Villeroy de Galhau: Sollte die EZB in den nächsten sechs Monaten handeln, wäre eine Zinssenkung wahrscheinlicher als eine Erhöhung. Diese Signale deuten auf einen zunehmend entspannten Kurs der Europäischen Zentralbank hin.
Emerging Markets unter Druck
Ganz anders die Lage in den Schwellenländern. Brasiliens Zentralbank erhöhte den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 15 Prozent – der sechste Anstieg in Folge seit September 2023. Mit einer Inflation von 5,3 Prozent liegt das Land deutlich über dem Zielwert von 3 Prozent.
Die Türkei hält ihre drastische Geldpolitik bei. Mit einem Leitzins von 46 Prozent und einer Spitze von 49 Prozent beim Übernachtzins führt das Land einen kompromisslosen Kampf gegen die Teuerung. Capital Economics rechnet zwar mit ersten Lockerungen ab Juli, warnt aber vor einem längeren Zeitraum hoher Realzinsen.
Taiwan zeigt sich hingegen entspannter und beließ die Zinsen bei 2 Prozent. Die Zentralbank senkte sogar ihre Inflationsprognose und signalisierte eine taubenhaftere Haltung.
Geopolitische Risiken belasten Märkte
Parallel zu den geldpolitischen Herausforderungen steigen die geopolitischen Risiken. Die Straße von Hormus, durch die 20 bis 30 Prozent des globalen Ölhandels fließen, steht unter verschärfter Beobachtung. JP Morgan hob die Störungsrisiko-Bewertung auf Stufe 2 von 5 an, nachdem elektronische Störungen die Navigation von Handelsschiffen beeinträchtigen.
Während der Suezkanal weiterhin stark beeinträchtigt bleibt – der Containerverkehr liegt 90 Prozent unter dem Normalwert – könnte eine Eskalation in der Hormus-Straße die globalen Energieströme erheblich stören.
Investitionen gehen zurück
Die Unsicherheit zeigt sich auch in den Investitionszahlen. Laut UN-Handelsorganisation UNCTAD fielen die ausländischen Direktinvestitionen 2024 bereits das zweite Jahr in Folge – um 11 Prozent bereinigt um europäische Durchleitungsländer. UNCTAD-Generalsekretärin Rebeca Grynspan warnt vor einem noch schlechteren Jahr 2025, da Handelsspannungen und Zölle das Investitionsklima belasten.
Die Finanzmärkte stehen damit vor einem komplexen Umfeld: Während einige Zentralbanken bereits über Lockerungen nachdenken, kämpfen andere weiterhin gegen hartnäckige Inflation. Gleichzeitig sorgen geopolitische Spannungen und Handelskonflikte für zusätzliche Volatilität – eine Herausforderung für Anleger und Zentralbanker gleichermaßen.