Die weltweiten Finanzmärkte durchleben eine Phase der Unsicherheit, geprägt von divergierenden Inflationstrends und unterschiedlichen geldpolitischen Reaktionen der Zentralbanken. Während die australische Inflation überraschend anzieht, bereiten sich andere Notenbanken auf weitere Zinssenkungen vor – ein Spagat, der die Komplexität der aktuellen Wirtschaftslage unterstreicht.
Australien kämpft mit hartnäckiger Inflation
Die australische Wirtschaft steht vor einem Dilemma. Der Verbraucherpreisindex stieg im August auf 3,0 Prozent im Jahresvergleich – den stärksten Anstieg seit einem Jahr und über den Erwartungen von 2,9 Prozent. Besonders besorgniserregend: Die Wohnkosten explodierten förmlich auf 4,5 Prozent, angetrieben von einem Strompreisschock von 24,6 Prozent.
Dieser dramatische Anstieg der Energiekosten resultiert aus dem Auslaufen staatlicher Stromrabatte in Queensland, Westaustralien und Tasmanien. Was zunächst als vorübergehende Entlastung gedacht war, entpuppt sich nun als Bumerang für die Verbraucher und die Geldpolitik der Reserve Bank of Australia.
Die Zentralbank hatte erst kürzlich ihre Bereitschaft zu weiteren Zinssenkungen signalisiert, doch die neuen Inflationsdaten verkomplizieren diesen Kurs erheblich. Die Kernteuerung zeigt zwar ein gemischtes Bild – der bereinigte Kern-CPI sank leicht auf 2,6 Prozent -, doch andere Messgrößen stiegen weiter an.
Internationale Lockerungszyklen im Fokus
Während Australien mit steigenden Preisen kämpft, setzt Neuseeland auf personelle Kontinuität in unruhigen Zeiten. Mit Anna Breman übernimmt erstmals eine Frau die Führung der Reserve Bank of New Zealand. Die erfahrene Ökonomin, derzeit stellvertretende Gouverneurin der schwedischen Riksbank, tritt ihr Amt zum 1. Dezember an.
Bremans Ernennung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Die neuseeländische Wirtschaft schrumpft schneller als erwartet, was die Zentralbank bereits zu aggressiven Zinssenkungen von 250 Basispunkten seit Mitte 2024 veranlasste. Ihre Erfahrung mit Lockerungszyklen – auch die Riksbank senkte zuletzt überraschend um 25 Basispunkte – könnte sich als wertvoll erweisen.
Fed-Chef Powell dämpft Erwartungen
Auch die US-Notenbank navigiert durch schwieriges Terrain. Fed-Chef Jerome Powell betonte die heikle Balance zwischen Inflationsrisiken und Arbeitsmarktsorgen, was die Märkte verunsicherte. Seine vorsichtigen Äußerungen führten zu einem 0,6-prozentigen Rückgang des S&P 500 – dem größten Tagesverlust seit drei Wochen.
Dennoch preisen die Märkte weiterhin zwei weitere Zinssenkungen bis Jahresende ein, mit einer 93-prozentigen Wahrscheinlichkeit für Oktober. Diese Erwartungen stützen sich auf schwächelnde Konjunkturdaten, einschließlich rückläufiger PMI-Werte, die Wachstumssorgen schüren.
Asiatische Märkte unter Druck
Die globale Unsicherheit spiegelt sich in den asiatischen Märkten wider. Japans Fertigungssektor kontrahierte im September so stark wie seit sechs Monaten nicht mehr, mit einem PMI von nur 48,4 Punkten. Neue Aufträge und Exportorders gingen deutlich zurück, was die Abhängigkeit der japanischen Wirtschaft von der globalen Nachfrage unterstreicht.
Dennoch zeigt der Dienstleistungssektor mit 53,0 Punkten Widerstandsfähigkeit und profitiert von der robusten Inlandsnachfrage. Diese Divergenz zwischen Industrie und Services prägt zunehmend die Wirtschaftsentwicklung entwickelter Volkswirtschaften.
IWF empfiehlt weitere Lockerung
Südkorea erhält unterdessen Rückendeckung vom Internationalen Währungsfonds für eine weitere geldpolitische Lockerung. Mit gut verankerten Inflationserwartungen und „ausreichendem politischen Spielraum“ sieht der IWF Raum für Zinssenkungen zur Stützung des Wachstums.
Dollar schwächelt trotz Powell-Vorsicht
Am Devisenmarkt zeigt sich der Dollar weiterhin schwach, obwohl Powell zur Vorsicht mahnte. Der Dollar-Index verharrt in der Nähe des Wochentiefs, während Trader auf weitere Fed-Lockerung setzen. Diese Dynamik verdeutlicht die Kluft zwischen Zentralbank-Kommunikation und Markterwartungen.
Die divergierenden geldpolitischen Pfade weltweit schaffen ein komplexes Umfeld für Anleger. Während einige Notenbanken wie die RBNZ und Riksbank bereits tief im Lockerungsmodus sind, kämpfen andere wie die RBA mit hartnäckiger Inflation. Diese Unterschiede werden die Marktvolatilität in den kommenden Monaten prägen.