Es ist bekannt, dass der deutsche Aktienmarkt durch das sehr tiefe Zinsniveau getrieben wird. Und weiterhin kann sich der Deutsche Staat für Renditen unter der Nulllinie verschulden. Doch auch wenn das Pflänzchen des Zinsanstiegs der letzten Wochen noch sehr klein ist, sind Fragen zur allgemeinen Bewertung des Aktienmarktes durchaus angebracht. Vor allem im DAX versammeln sich immerhin viele Milliarden Euro Verbindlichkeiten hinter den Unternehmen. Ist ein Zinsanstieg damit keine Belastungsprobe für den Deutschen Aktienindex?
Der DAX ist weiterhin auf Rekordjagd. Direkt vor Ostern befinden wir uns so hoch wie noch nie.
In der Tat liegen die 10-jährigen Renditen auf deutsche Staatsanleihen weiterhin unter null. Mit circa -0,31 %, kann der Staat weiterhin Schulden aufnehmen und wird dafür noch immer bezahlt. Doch es tut sich etwas in Deutschland. Noch vor einem Jahr, lag dieser 10-jährige Zins für deutsche Staatsanleihen bei knapp -0,50 %. Damit sind die Zinsen in Deutschland auf Sicht von einem Jahr um etwa 0,20 % gestiegen. Diese Entwicklung ist bisher alles andere als beunruhigend. Immerhin sind Zinsen unter null eher als ein Experiment mit Nebeneffekten für viele Bereiche zu sehen. Daher ist die Rückkehr zur Normalität noch nicht beängstigend.
Nebeneffekte der ultralockeren Geldpolitik
Viele der Effekte, die diese Geldpolitik mit sich bringt, sind gewünscht und sollten nach der Finanzkrise den Staaten im Euroraum wieder Luft zum Atmen geben. Allerdings sind neben den erwünschten Auswirkungen auch unerwünschte Nebeneffekte zu beobachten. So können für Finanzinstitutionen wie Versicherungen etwas die Zeiten wohl nur noch schwer schwieriger sein. Die klassischen Lebensversicherungsverträge etwa gibt es im Neugeschäft so gut wie gar nicht mehr. Garantiezinsen in Zeiten von fehlenden „sicheren Einnahmen“ sind ein Luxus, der nicht mehr leistbar ist. Doch auch an anderen Stellen treten die Nebenwirkungen zutage. Eine unvollständige Liste gibt Ihnen dazu einen kleinen Einblick:
- Stiftungen haben Probleme das Stiftungskapital zu erhalten und müssen daher die Risiken erhöhen
- sichere Anlagen für Sparer existieren in einem Umfeld mit negativen Zinsen kaum noch
- Banken fehlt oftmals eine auskömmliche Zinsmarge, da sie noch immer nicht an alle Kunden die Negativzinsen durchreichen
- Immobilienpreise boomen, da Immobilien von vielen als Zinsersatzgeschäft gesehen werden
- der Aktienmarkt steigt, da er eine der wenigen verbliebene Ertragsquellen ist
- private Krankenversicherungen werden teurer, da die Rücklagenbildung von jungen Beitragszahlern kaum noch Erträge bringt
Diese Liste könnte noch um viele Punkte verlängert werden. Doch der wichtigste Punkt ist bereits vorhanden. Vor allem die Alternativlosigkeit im Segment der Kapitalanlage hat den Aktienmarkt in ein durchaus sportliches Bewertungsniveau befördert. Selbst die Unsicherheiten durch das Coronavirus vermochten den Markt nicht lange aufzuhalten. Doch in der Tat liegt einer der größten Treiber dieser Entwicklung eben genau in den negativen Zinssätzen.
Zinsen rauf – Aktien runter?
Die Frage die sich dem interessierten Anleger damit aufdrängt ist, ob der DAX und die Aktienmärkte im Allgemeinen nun die wichtigste Schützenhilfe verlieren könnten. Ist ein Zinsanstieg am Ende der Störfaktor, der die nun schon lange andauernde Aktienmarktrallye beenden wird?
Im Prinzip lässt sich diese Entwicklung natürlich nicht vorher sagen. Aber auf einen Umstand kann man in diesem Zusammenhang direkt hinweisen.
Neben dem kleinen Anstieg in den Zinsen steigen zuletzt auch die Kosten für Energie und andere Güter des Marktes. Die deutsche Inflationsrate befindet sich etwa auf einem Jahreshöchststand. Doch auch hier muss noch nicht das Ende erreicht sein. Die Probleme um die Lieferketten und die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie könnten die Inflationsraten weiter treiben. In Amerika etwa steigt die Inflationserwartung zuletzt deutlich.
Dementsprechend sollte ein Zinsanstieg auch unter diesem Hintergrund gesehen werden. Denn die Schuldenlast ist für die Wirtschaft sowohl von dem nominalen Zinssatz, wie auch von der Inflationsrate abhängig. Denn dieser sogenannte Realzins entscheidet am Ende, ob wir uns in einem Umfeld befinden welches Schuldnern oder doch den Gläubigern entgegenkommt. Noch spricht viel für die Schuldner und so für den Aktienmarkt. Doch auch dieser Umstand kann sich ändern. Daher macht es in den nächsten Tagen und Wochen Sinn, dem Renditeniveau in Deutschland und den USA Aufmerksamkeit zu schenken.
Bei 15.000 im DAX kann man sich hier wirklich nur wundern. Die US-Technologiewerte scheinen diese Rallye zumindest nicht mitzumachen.
Danke für die Analyse,
Gruß Andreas