GAPs -also die Lücken zwischen dem Schlusskurs des Vortages und dem Eröffnungskurs des aktuellen Tages- haben wohl schon immer das Interesse von Daytradern auf sich gezogen. Sehr häufig werden sie von Tradern in ihren Charts markiert. Sie fungieren dort als wichtiger Support- oder Resistance-Bereich oder sind Gegenstand eigenständiger Handelsstrategien. In diesem Artikel stelle ich Ihnen die Ergebnisse der klassischen Gap Fade-Strategie anhand des DAX vor.
Wenn Sie sich mit dem Thema GAPs im allgemeinen befassen wollen, empfehle ich Ihnen den Artikel von Andreas Mueller „Wird das GAP geschlossen?„.
GAPs – Die erste und beste Gelegenheit des Tages?
John F. Carter bezeichnete GAPs in seinem Buch „Das große Buch des Swing- & Daytradings“ als „die erste und beste Gelegenheit des Tages“. Dieses Buch erschien im Jahr 2005.
Carter stellte eine Statistik für den US-Leitindex DOW Jones für jeden einzelnen Wochentag auf und belegte, dass an jedem Tag eine überwiegende Wahrscheinlichkeit bestand, dass Gaps noch am gleichen Tag geschlossen werden.
Die dann vorgestellte Strategie ist simpel:
Aufgrund diese überwiegenden Wahrscheinlichkeit geht der Daytrader jeden Tag eine Position ein, die auf die Schließung dieses Gaps abzielt. Dabei wird eine bestehende Position geschlossen, wenn das Gap vollständig geschlossen ist. Als Stop Loss wird ein Abstand vom Einstandskurs in Größe des Gaps gewählt.
Zu erwähnen sei, dass Carter bei Gaps mit einer Größe von mehr als 50 Punkten im DOW Jones einen Stop Loss wählt, der die 1,5-fache Größe des Gaps beträgt. Diese Modifikation soll im Folgenden unberücksichtigt bleiben, da das CRV eines solchen Trades erheblich verschlechtert wird.
Parameter der GAP Fade-Strategie im Detail
Für den automatisierten Backtest stehen Daten bis zum 20.07.2015 bereit. Zwar reicht die Tick-History meiner Charting-Plattform wesentlich weiter zurück (bis 2010), sie ist allerdings nicht in X-Minuten-Perioden übertragbar. Eine saubere Einteilung in ganze Minuten ist aber erforderlich, da ansonsten der Schlusskurs um 17:45 Uhr und der Eröffnungskurs des nächsten Tages um 09:00 Uhr nicht sauber identifiziert werden kann.
Deshalb kann maximal der M15 im Backtest Verwendung finden. Es wird im Test angenommen, dass ein Gap dann existiert, wenn dies größer als fünf Punkte ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, wird eine Position eröffnet, die auf die Schließung des GAPs abzielt. Wurden bis 17:45 Uhr weder Ziel (der GAP-Close) noch Stop Loss erreicht, wird die Position ebenfalls geschlossen. Positionen werden also nicht über Nacht gehalten, so dass wir hier eine reine Daytrading-Strategie vorliegen haben. Es soll ein Startkapital von 100.000 Euro und der Einsatz jeweils eines DAX-Future mit einer Wertigkeit von 25 Euro pro Punkt angenommen werden.
Die Ergebnisse des GAP Fade-Strategie Backtests
Der automatisierte Backtest liefert ernüchternde Ergebnisse. Die klassische GAP-Strategie hat innerhalb von gut zwei Jahren einen Verlust von ziemlich genau 35% hervorgebracht. Seit dem 20.07.2015 bis zum heutigen Tag bringt es der DAX im Vergleich immerhin auf eine Performance von ca. +4%. Hier fällt auf, dass der der durchschnittliche Gewinn bei einem erfolgreichen Trade zwar größer ist als ein durchschnittlicher Verlust.
Doch die Trefferquote von nur rund 45% sorgt dafür, dass die Gesamtstrategie zu einem Verlierer wird. Dieser Wert steht auch in deutlichem Gegensatz zu den Wahrscheinlichkeiten von deutlich über 50%, die Carter im Jahr 2005 ermittelte.
Abwandlung der GAP Fade-Strategie
Es soll nun eine Abwandlung betrachtet werden, nämlich die Differenz zwischen Open und Close im FDAX, also zwischen 22:00 Uhr des Vortages und 08:00 Uhr des aktuellen Tages. Die übrigen Parameter bleiben gleich.
Auch die FDAX Gap Fade-Strategie führt in der Summe zu einem Verlust, der zwar geringer, aber nichtsdestotrotz mit über 23% erheblich ist.
Auffällig ist hier die Differenz zwischen dem größten Gewinn und dem größten Verlust, der die Gesamtperformance des Setups aber nicht zu retten vermag.
Fazit zur GAP Fade-Strategie
Die Gap Fade-Strategie -sowohl angewandt auf die XETRA- als auch auf die FDAX-Kurse- ist tatsächlich nicht „die erste und beste Gelegenheit“ des Tages. Sie ist vielmehr bei klassischer Anwendung ein Verlustbringer. Das Setup war in früheren Tagen eventuell erfolgreich, heutzutage erleben wir allerdings häufig Gaps, die eben nicht zügig geschlossen, sondern noch ausgebaut werden. Zwar bleiben diese Kurslücken in den meisten Fällen nicht ewig bestehen, allerdings ist eine Spekulation auf ihre Schließung oftmals nicht mit einem vernünftigen CRV möglich.
Bis zum nächsten Mal,
Ihr Thorsten Kock
leider ist das pure Theorie. Zum offiziell notierten open im Index kommst Du bei einem Gap up/down real gehandelt niemals rein.
Der Grund: Kurse entstehen durch Angebot&Nachfrage. Und in der ersten Sekunden sind eben nicht alle Einzelwerte aus dem Index gehandelt worden. D.h. der open hängt etwas in den ersten Sekunden. Und ein Kurs der aus dem Vortag kommt steht noch anteilig im Open.
Könnte man den Index exakt zum open Kurs handeln, so wäre es ein profitables System:
gap-up ->long und gap-down ->short
Untersucht man selbiges System mit open Kursen plus 10min also etwas Zeitversetzt, so ist das System bereits nicht mehr profitabel.
Danke für die Anregung!
Eine solche Unterscheidung könnte tatsächlich Gegenstand einer weiteren Analyse sein.
Hier bin ich tatsächlich alle Gaps nach dem selben Schema angegangen, so wie es von John F. Carter publiziert wurde (mit Ausnahme des wesentlichen größeren SL bei großen Gaps).
auch erst mal Danke, so ein Artikel ist ja doch immer einiges an Arbeit.
Aber eine Frage: hast du in der Aufstellung alle Gaps berücksichtigt? Ich frage, da z.B. L. Bradford-Raschke in der Interpretation einen Unterschied zwischen „einfachen“ Gaps und und out-of-value-area Gaps macht (also Gaps, die über- oder unterhalb der Range des Vortags starten, kurz GOOVA). Bradford-R. billigt den GOOVAs ein Trendpotential zu, das sich – unabhängig von der ursprünglichen Richtung de Gaps – in beide Richtungen entwickeln kann. „Einfache“ Gaps, also solche, die innerhalb der Range des Vortages liegen, haben dieses Potential nicht.
Solltest du alle Gaps berücksichtigt haben, wäre diese Unterscheidung m.E. ja fast noch mal eine Analyse wert. Aber egal wie: Danke schon mal bis hierhin
Man bekommt über den Backtest-Zeitraum ein leicht positives Ergebnis, wenn man die Strategie einfach umkehrt, also sich also um 09:00 Uhr bei einem Up-Gap long positioniert und bei einem Down-Gap short. Als TP wird auch hier die Größe des Gaps gewählt, der SL wird an die Unterkante gesetzt.
Bei der „klassischen“ Strategie haben nicht einmal die großen Gewinne vom Brexit- und US-Wahltag groß was genützt.
Danke Thorsten. Ich war nie Anhänger dieser Strategien. Andreas hatte ja damals auch auf die „verschiedenen Gaps“ in seinem Artikel hingewiesen. Für mich bleiben die Gaps zu interpretationsbedürftig und damit sind auch diese eher eine Kunst. Gute Trader werden mit ihnen Geld machen, andere aber nicht. So sehe ich es jedenfalls.
Bis denn.