Spätestens seit dem Film „Wall Street“ mit Michael Douglas in seiner Paraderolle als Gordon Gekko oder nach einem Besuch von Manhattan in New York, reift in vielen Menschen der Traum von einer Karriere im Investmentbanking. Die Faszination über wirtschaftliche Zusammenhänge und an diesem Konstrukt teilnehmen zu dürfen oder sogar eine tragende Rolle zu spielen, kann einen ungemeinen Reiz ausüben. Doch was steckt wirklich dahinter und was kann ein Einsteiger im Investmentbanking bezüglich Gehalt, Provision und Arbeitszeiten erwarten?
So abstrakt diese Eingangsdarstellung für einige Leser erscheinen mag, so reizvoll ist diese wiederum für andere Menschen. Angehende Absolventen der Wirtschaftswissenschaften möchten oftmals schnell und viel Geld verdienen. Dies ist im Investmentbanking durchaus möglich und zieht daher auch entsprechend viel Interesse auf sich. Eine hohe Anzahl an Bewerbern, selbst bei Praktikantenstellen, ist dabei das Ergebnis. Doch dieses Geld bekommt natürlich niemand geschenkt.
Erwartungen im Investmentbanking – Arbeitszeiten
Neben Engagement und guten Studienleistungen sind dafür vor allem Willenskraft und Zeit notwendig. Zeit, die als „flexible Arbeitszeit“ deklariert teilweise weit weg von einer „Work-Life-Balance“ geht.
Zu diesem Fakt existieren einige Berichte, die immer mal wieder für kurzzeitige Aufregung sorgen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an Moritz Erhardt. Er absolvierte ein Praktikum bei einer Londoner Investmentbank und wurde mit nur 21 Jahren tot in seiner Wohnung gefunden. Diagnose: Schlafmangel und Überarbeitung. Im Magazin Focus wurde dazu von einem Mitstudenten folgendes geschildert:
Du fährst mit dem Taxi um 7 Uhr morgens heim, lässt den Fahrer warten, springst schnell unter die Dusche und fährst wieder zurück ins Büro.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Praktikantengehalt von 3.100 Euro im Monat nicht gerade hilfreich. Doch das Leistungsprinzip wird eben auch durch die Zeit am Arbeitsplatz definiert. Hierbei scheint ein Konsens zu herrschen, wenn man sich den aktuellen Artikel auf efinancialcareers zu Sommerpraktikanten genauer durchliest:
„Ich bin bereit, lange zu arbeiten“, erzählt ein angehender Summer Analyst, der in der Investment Banking Division von Morgan Stanley anfängt. „Es wird wahrscheinlich bis Mitternacht dauern, vielleicht sogar bis 1 oder 2 Uhr nachts.“ Ein anderer angehender Praktikant von Rothschild ist noch ehrgeiziger. „Ich erwarte, von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts zu arbeiten“, versichert er. „Es handelt sich nicht um durchgehende Arbeit und man bekommt etwas Auszeit. Mir wurde erzählt, dass die eigentliche Arbeit ohnehin erst in den späteren Stunden beginnt.“
Bedingungen im Investmentbanking bleiben schwierig
Man darf hoffen, dass hier seitens der Investmentbanken selbst ein Umdenken und eine Fürsorgepflicht gegenüber den jungen Talenten einsetzten wird. Immerhin hat Goldman Sachs schon eine interne Vorschrift, Praktikanten zwischen Mitternacht und 7 Uhr Morgens nicht zu beschäftigen. Die Bank of America weitet dies sogar von Mitternacht bis auf 9 Uhr morgens und das Wochenende aus.
Doch wer „freiwillig“ länger arbeiten möchte, dem wird dies scheinbar nicht verwehrt. Hierbei sichert sich die Bank entsprechend ab. Wie dies geschieht, wird im gleichen Artikel wie folgt dokumentiert:
Ein Praktikant von JP Morgan berichtet sogar, er habe unterschreiben müssen, mehr als 48 Stunden arbeiten zu wollen (entsprechend der europäischen Arbeitszeitdirektive). Da im Investment Banking auf jede Praktikantenstelle rund 100 Bewerber kommen, führt kein Weg an der Unterzeichnung des Dokuments vorbei.
In der Praxis bleibt also alles so? Erst 2016 tauchte erneut ein Fall auf, bei dem ein Praktikant bei Goldman Sachs um 2.30 Uhr Nachts zusammengebrochen war.
„Es hat sich nichts fundamental verändert“, berichtet die ehemalige Investmentbankerin Sabrina Tamm, die heute als Personalberaterin bei Financial Talents u.a. Junior-Investmentbanker vermittelt. „Dazu hätte sich auch der Umgang der Senior-Investmentbanker mit den Kunden verändern müssen. Sie müssten ihren Kunden sagen, dass etwas z.B. nicht über das Wochenende zu bewerkstelligen sei und auch Montag noch Zeit dafür sei“, erzählt Tamm. „Das ist nicht der Fall.“
Dies betrifft sicherlich auch andere Branchen, wie der Artikel dazu auf dem gleichen Portal zeigt. Weiter muss man dies hier nicht ausführen.
Schauen wir doch einmal auf die Gehälter.
Gehälter und Provisionen im Investmentbanking
Praktikanten im Investmentbanking erhalten in London für die Dauer von zehn bis zwölf Wochen rund 50.000 Pfund. Damit stieg diese Zahl im Vergleich zum Vorjahr noch einmal. Verglichen mit dem Durchschnittsgehalt nach einem abgeschlossenen Studium ist dies enorm viel – für ein begrenztes Praktikum wohlgemerkt!
Steigt man in das Investmentbanking richtig ein, kann man als Junior mit durchschnittlich 75.000 Euro Grundgehalt rechnen. Dazu wird noch ein Vergütungsanteil gerechnet, der durchaus mit 30 Prozent des Jahresgehalts beginnt und nach oben erst weitaus später gedeckelt ist. Schon nach wenigen Jahren kann sich dies auf 160.000 Euro summieren und als Senior dann um 350.000 Euro einpendeln.
Um hier bei Goldman Sachs zu bleiben: Alexander Dibelius als ehemaliger Deutschland-Chef, soll nach Angaben von „Gehaltsreporter“ eine Jahresvergütung von 25 Millionen Euro erhalten haben.
Es gilt festzuhalten: Das Grundgehalt muss das Leben finanzieren, aber der so genannte Bonus kann weitaus bedeutender sein!
Blicken wir hier an die Wall Street, sehen wir eine Durchschnittsvergütung von über 400.000 Dollar pro Jahr. Hierzu finden Sie an gleicher Quelle auch eine Auflistung, welche Position in etwa welches Grundgehalt inne hat. Für Europa ist der Finanzplatz London noch immer maßgeblich. Hierzu habe ich von GehaltsReporter folgende Grafik entliehen:
Doch sollte man darauf wirklich neidisch blicken und dies als erstrebenswertes Ziel für sich definieren?
Geld als Antrieb
Rein rechnerisch muss man beide Faktoren nun einmal gewichten. Top-Gehälter aber auch extrem hohe Anforderungen an die Mitarbeiter. Rechnet man die hohen Gehälter bei einer 100-Stundenwoche einmal herunter, dann liegen diese nicht wirklich viel höher als eine Entlohnung in der Automobilbranche bei einer tariflichen 36-Stundenwoche im mittleren Management. Aus der Sicht von „Work-Life-Balance“ und Familienleben fällt die Entscheidung womöglich bei jedem anders aus, doch ist es somit vergleichbar.
Gesundheitlich möchte ich mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, da ich selbst kein „36-Stunden-Typ“ bin, aber auch diesen Fakt muss jeder für sich bewerten.
Was man aber moralisch ansprechen kann, ist die einseitige Fixierung auf ein hohes Gehalt. Verliert der angehende Investmentbanker dadurch vielleicht die sinngemäße „Bodenhaftung“? Stellt er das Ziel, immer mehr verdienen zu wollen, über alle anderen Dinge im Leben?
Um den Bogen zum Eingangs beschrieben Film „Wall Street“ zu spannen: Gordon Gekko bekam für seine skrupellosen Geschäfte eine Gefängnisstrafe und musste im Teil 2 dann erst mühsam lernen, wie wichtig doch die Familie ist. Dieses Gefühl kann man eben nicht kaufen, auch wenn dies mit Sicherheit jetzt nicht für alle Investmentbanking-Angestellten gelten soll. Etwas Abstraktheit und das Ausschweifen der Gedanken zum Wochenende sei mir und Ihnen als Leser sicherlich gegönnt.
Vielen Dank für den Artikel. Ein paar interessante Einblicke konnte man auch in dem Vortrag von Anton Kreil vor Absolventen des University College London 2013 erhalten. Ist zwar schon fast 5 Jahre her, hat sich aber wohl nicht viel geändert.
https://youtu.be/-UG11JzWzMY
(Vortrag ist in 5 Teilvideos geschnitten)