Seit Jahren steht die Inflationsrate unter strenger Beobachtungen der großen Notenbanken. Sowohl FED, EZB und auch die BoJ versuchen seit langem die Rate der Teuerung für die Preise nach oben zu bewegen. Dieser andauernde Kampf gegen deflationäre Tendenzen scheint in den letzten Monaten von Erfolg gekrönt. Allerdings bleibt die Befürchtung, dass ein der Inflation angemessener Anstieg der Zinsen am Kapitalmarkt die Wirtschaft in eine Stagnation führen könnte. Droht das Schreckgespenst Stagflation?
Um die Wahrscheinlichkeit einer Stagflation beurteilen zu können, bedarf es einiger grundsätzlicher Bestimmungen. Nur wer weiß, wo wir heute stehen, kann beurteilen, was morgen kommen könnte. Daher nähern wir uns dem Dämon Stagflation in sinnvoller Reihenfolge.
Was ist Stagflation
Das Wort Stagflation setzt sich aus zwei Begriffen der Volkswirtschaftslehre zusammen. Dabei werden die Wörter Inflation und Stagnation miteinander verbunden. Dementsprechend bezeichnet dieser Zustand eine Situation, in der ein Preisanstieg von wirtschaftlichem Stillstand begleiten wird.
Was macht sie so gefährlich?
Phasen von inflationären Prozessen werden im Normalfall von positiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität begleitet. So korreliert eine moderat steigende Inflationsrate oftmals mit einem Zuwachs in der Beschäftigung in dem betreffenden Wirtschaftsraum.
Dieser Zusammenhang wird mit der sogenannten Phillipskurve dargestellt. In diesen normalen und beherrschbaren Zeiten steigen die Marktzinsen oftmals an, um auf der einen Seite die Inflation unter Kontrolle zu halten und auf der anderen Seite die Wirtschaft abzukühlen. Anders sieht es da aus, wenn das zweiköpfige Monster Stagflation auftaucht.
Die Notenbanken haben zwar größtenteils die Kontrolle über das Geld in unserem Wirtschaftssystem, allerdings haben Sie keine Kontrolle über die Aktivität zwischen den Wirtschaftssubjekten. Vor allem die Stagflation macht es den Notenbanken ausgesprochen schwer, adäquat auf Preisanstiege zu reagieren.
Während eine sich beschleunigende Inflation vor allem mit Zinsanstiegen bekämpft wird, wird eine Schwächephase in der Wirtschaft mit Zinssenkungen bekämpft. In Zeiten einer Stagnation kombiniert mit Inflation müssten die Notenbanken die Zinsen sowohl senken wie auch erhöhen – ein Dilemma. Den Notenbanken fehlt ein brauchbares Medikament für diese Krankheit des Systems.
Entstehung und Ursachen der Stagflation?
Was auf den ersten Blick unlogisch wirkt, ist doch nicht unmöglich. In den siebziger Jahren trat die Stagflation mit aller Gewalt auf. Die Arbeitslosigkeit war sehr hoch und die Preise galoppierten nach oben.
Was zu Beginn paradox klingt, ist doch verständlich, wenn man die Zusammenhänge genauer beleuchtet. Denn auch damals entstand das Zusammenspiel von Inflation und Stagnation nicht aus dem Nichts.
Immerhin stiegen die Ölpreise damals kräftig an und verteuerten damit sowohl Energie im Allgemeinen wie auch die Produkte an der Ladentheke. Die Kaufkraft der Bevölkerung sank durch den hohen Ölpreis deutlich und die Gewerkschaften machten Druck, diesen Verlust durch Steigerungen der Löhne auszugleichen. Gleichzeitig bremste dieser Effekt die wirtschaftliche Aktivität, was die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau gefangen hielt.
Auf diese Weise wurde die Stagflation geboren. Doch wie wahrscheinlich ist die Stagflation heute?
Kommt die Inflation zurück?
Die wohl wichtigste Grundvoraussetzung für die Stagflation ist ein ansteigendes Preisniveau. Doch genau dieses Preisniveau konnte seit der Finanzkrise nicht mal mehr auf das gewollte Niveau um 2 % erhöht werden. Wie passt dieser Umstand mit Äußerungen des Hedgefondsmanagers Crispin Odey zusammen? Dieser sieht die Gefahr, dass wir erstmals seit 40 Jahren wieder auf eine Stagflation zusteuern könnten. Und Odeys Worte haben Gewicht.
Der Verwalter eines britischen Hedgefonds war einer von wenigen Managern, der den Zusammenbruch des Marktes im Jahr 2008 nicht nur vorhersah, sondern ihn auch nutzte, um Millionen zu verdienen. Was treibt Odey also zu diesen Aussagen?
Die wichtigsten Aspekte seiner Theorie sind die Kombination aus den Strafzöllen, dem Wegfall der billigen Arbeitskräfte aus Mexiko gepaart mit dem fiskalischen Stimulus aus Steuersenkungen und Ausgabenprogramme. Der Finanzprofi sieht darin das Potenzial für einen inflationären Schock. Damit wäre die erste Bedingung auf dem Weg zur Stagflation gegeben.
Die zweite Bedingung, die sich abschwächende Wirtschaft, dürfte vor allem in der restriktiveren Geldpolitik der FED liegen. Diese hat bereits begonnen, das Zinsniveau normalisieren zu wollen. Allerdings ist unser System aktuell sehr anfällig. Gewaltige Schuldenberge machen Zinsanhebungen gefährlicher, als Sie es jemals zuvor in der Geschichte waren.
In diesem Umfeld wäre es jederzeit denkbar, dass die FED eine Kehrtwende versuchen muss. Diese Wende würde allerdings nicht zwingend zu einer dann nochmals verbesserten Lage in der Wirtschaft führen. Allerdings wären die oben genannten Bedingungen ausreichend, um die Inflation erneut anzuheizen. In diesem Falle wäre die verschwunden geglaubte Inflation zurück in der Welt.
Sollten politische Krisen zusätzlich den Ölpreis steigen lassen, wäre es dieses Mal wohl noch schwerer zu beherrschen als in den Siebzigern.
Auswirkungen der Stagflation auf Anleger
Die Auswirkungen für Geldanleger sind sehr unterschiedlich. Nicht jede Anlageklasse ist gleich gut geeignet, die verheerenden Auswirkungen einer möglichen Stagflation abzufangen. Und da es keine Gewissheit geben kann, nähern wir uns den wichtigsten Anlageklassen mit der Macht der Logik.
Aktien
Im Allgemeinen werden Aktien als gute Anlageklasse in inflationären Zeiten betrachtet. Und in der Tat bedeuten steigende Preise oftmals bessere Umsätze und Margen für Unternehmen. Allerdings kann man diesen Zustand, aufgrund der oben beschriebenen Rahmendaten, nicht pauschal für jede Inflationsphase verallgemeinern.
In einer Stagflation bleiben die Gewinne eher stabil. Damit befinden sich die Anteilsscheine an Unternehmen eher in einem Gleichgewichtszustand. Herbe Verluste sind, vom Beginn der inflationären Zeiten abgesehen, ebenso unwahrscheinlich wie starke Kursgewinne. Allerdings nagt die Inflation selbst am Geldwert und damit am Anlageergebnis für Aktienanleger. Inflationsbereinigt ist damit ein Verlust in der Aktienanlage zu erwarten.
Dow Jones in den 70ern
Quelle finanzen.net
Dow Jones in den 70ern um Inflation bereinigt
Zusätzlich könnte vor allem der Beginn der Phase sehr holperig werden. Die seit Jahren auf der Nulllinie liegenden Zinsen könnten bei einem gewöhnlich damit einhergehenden steigenden Zinsniveau die Aktienmärkte unter Druck bringen.
Immobilien
Immobilien sind ebenfalls kritisch zu sehen. Die Rendite, vor allem um Inflation bereinigt, sollte eher negativ sein. Sowohl die schwindende Kaufkraft der Bevölkerung als auch der Anstieg der Baukosten belasten die Ertragserwartung der Immobilien. Zusätzlich geht die Bauaktivität im Allgemeinen zurück.
Oftmals sind gerade solche „Sondersituationen der Wirtschaft“ die Zeiten, in denen Regierungen experimentieren. So sind Verschärfungen der sogenannten Mietpreisbremse und andere Maßnahmen jederzeit zu erwarten. Außerdem dürfte sich der zu erwartende Zinsanstieg auch zu Beginn der Stagflation sehr negativ auf die Preise des Betongoldes auswirken. Keine guten Aussichten also.
Anleihen
Die wohl schlechteste Anlagemöglichkeit überhaupt stellen innerhalb einer Stagflation die Anleihen dar. Während den Anlegern klar ist, dass die Kurse fallen, wenn die Zinsen steigen, kommen zusätzliche Gefahren dazu. Auf der einen Seite sorgt die Stagnation der Wirtschaft für sich verschlechternde Bedingungen bei der Bonität der Unternehmen. Auf der anderen Seite wirkt die Inflation dramatisch auf die Kaufkraft der nominalen Werte ein. Je länger die Phase der Stagnation anhält, desto klarer werden die Verluste im Segment der festverzinslichen Wertpapiere.
Vor allem Anleger, die sich selbst als sehr konservativ bezeichnen würden, dürften zu den großen Verlieren dieser Zeit gehören.
Bargeld
Neben den Anleihen ist auch Bargeld in hohen Umfang durchaus kristisch zu sehen. So kann das Bargeld als Zentralbankgeld zwar vor möglichen Bankenpleiten schützen, allerdings um den Preis einer hohen Entwertung der Kaufkraft.
Gold
Eine mögliche Ausnahme dürfte bei den Anlageklassen das Gold darstellen. Das gelbe Edelmetall ist seit jeher ein Sicherheitsanker. Auch in Phasen der Stagflation könnten sich Anleger auf der Suche nach Sicherheit dem „Ersatzgeld“ zuwenden.
Vor allem in den Schüben an der Preisfront, in den Siebzigern vom Ölpreis getrieben, konnte Gold deutlich zulegen. In den Jahren 1973-1974 legte der Goldpreis mehr als 100 % zu. Im Jahr 1979 kam es sogar zu einem Anstieg von 115 % in nur 12 Monaten.
Damit stellt Gold zwar eine Ausnahme unter den Anlageklassen dar, beantwortet dabei aber nicht die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Wird es eine Stagflation geben?
Fazit – Stagflation ist denkbar, aber nicht zwingend
Die Rahmendaten für eine Stagflation sind durch das Verhalten der Notenbanken nach der Finanzkrise tatsächlich befeuert worden. Allerdings ist die Stagflation kein Selbstläufer.
Gefahr für dieses Szenario besteht vor allem durch deutliche Preissteigerungen im Energie- und Rohstoffmarkt. Während der Ölpreis bereits auf Niveaus angekommen ist, wo er durchaus Einfluss auf das allgemeine Preisniveau nehmen könnte, bewegen sich andere Rohstoffe noch verhaltener. Dennoch sollte das Risiko einer Stagflation nicht unterschätzt werden. Auch wenn Gold eine Schutzfunktion übernehmen kann, ist das wahrscheinlichste Szenario ein Verlust der eigenen Kaufkraft. Denn in einem Stagflationsprozess gibt es nur wenige Gewinner. Selbst ein fundiertes Wissen kann nicht abschließend vor den Auswirkungen der Stagflation schützen.