Zinseszinseffekt: Wohin mit den Trading-Gewinnen?

Jeder gute Investor kennt ihn: den Zinseszinseffekt. Aber kaum einer versteht wirklich, welche gewaltige Kraft dieser Effekt hat und was er für ein langfristiges Depot bedeuten kann. Darauf gehe ich an dieser Stelle ausführlich ein.

Bei der Nutzung des Zinseszinseffektes geht es darum, das verdiente Kapital einer Anlage zu reinvestieren, um mit dem höheren Kapital entsprechend mehr zu verdienen. Angeblich bezeichnete schon Albert Einstein den Zinseszinseffekt als achtes Weltwunder. Aber wie genau funktioniert das Ganze nun?


Der Zinseszinseffekt beim Investieren


Nehmen wir an, ein Investor hat 100.000€ zur Anlage zur Verfügung und erzielt darauf eine durchschnittliche jährliche Rendite von 8%. Nun hat er am Ende des ersten Jahres 108.000€ auf seinem Konto. Lässt er nun diese 108.000€ „stehen“, ohne die 8.000€ Gewinn abzuziehen, verdient er im kommenden Jahr mit derselben 8%igen Rendite 8.640€. Die 640€ zusätzlicher Verdienst sind der sogenannte Zinseszinseffekt. Im Laufe der Jahre wird dieser Effekt immer größer. Nach 10 Jahren Anlagezeit hat der Anleger, der den Zinseszinseffekt ausnutzt, einen Profit von 115.892€ erzielt, während ein Anleger ohne Zinseszinseffekt im selben Zeitraum und derselben prozentualen Rendite lediglich 80.000€ Profit erreicht.


Vergleich eines Investments mit und ohne Zinseszinseffekt
Vergleich eines Investments mit und ohne Zinseszinseffekt

Das Investmentergebnis mit Zinseszinseffekt lässt sich dabei recht einfach berechnen, auch ohne Excel bemühen zu müssen.

Die zu verwendende Formel lautet:


Formel Zinseszinseffekt
Formel Zinseszinseffekt


Der Zinseszinseffekt beim Trading


Ein kurzfristiger Trader kann diesen Effekt ebenso ausnutzen. Dafür muss er also genau wie der Investor die Frage beantworten, ob er seine Trading-Gewinne regelmäßig vom Konto abzieht, oder ob er diese Gewinne auf dem Konto belässt.


Die Mehrzahl der kurzfristigen Trader arbeitet mit einem prozentualen Risiko pro Trade, gerechnet auf die aktuelle Kontogröße. Wenn ein Händler mit einem maximalen Risiko von 2% arbeitet, dann riskiert er bei einem 50.000€ Konto maximal 1.000€ pro Trade. Bei einem Kontostand von 60.000€ vergrößert sich das maximale Risiko dann schon auf 1.200€. Damit sind die potentiellen Gewinne dann auch entsprechend größer, und das Konto wächst schneller. In meinen Swing-Trading Depots setze ich genau diese Methode um. Nach Möglichkeit belasse ich die Gewinne auf dem Konto, um ein schnelleres Wachsen des Kontos zu ermöglichen.

Meiner Meinung nach ist der Zinseszinseffekt das am meisten unterschätze Tool eines Traders. Vorausgesetzt man hat die Möglichkeit die Gewinne auf dem Konto zu belassen, kann man auch als angehender Vollzeit-Trader recht schnell eine ansehnliche Kontogröße erzielen, mit der man arbeiten kann – und von der man dann als Vollzeit-Trader auch vernünftig leben kann.

Dafür sind gar keine exorbitanten Renditen nötig, sondern der Trader kann sich vielmehr auf eine gute und konstante Rendite verlassen, die er auch unter Berücksichtigung der überlebenswichtigen Gesichtspunkte wie Moneymanagement und Risikomanagement erreichen kann.


Entwicklung eines 50.000€ Kontos mit verschiedenen Renditen
Entwicklung eines 50.000€ Kontos mit verschiedenen Renditen

In der obigen Grafik sehen Sie einen Vergleich verschiedener monatlicher Renditen über einen Tradingzeitraum von fünf Jahren. Startkapital des Kontos waren 50.000€. Die blaue Linie zeigt die Kontoentwicklung bei einer Rendite von 1% pro Monat, die rote Linie bei 2% monatlicher Rendite und die grüne Linie repräsentiert die Kontoentwicklung bei einer monatlichen Rendite von 3%, was für einen guten aktiven Daytrader durchaus realistisch ist.

Bei einer Performance von 2% im Monat haben Sie mit Ausnutzung des Zinseszinseffektes ihr Konto bereits nach drei Jahren verdoppelt – also ein Zugewinn von 100%. Ohne Zinseszinseffekt hätten Sie einen Profit von 72% erreicht.

Um das Ganze noch zu verdeutlichen finden Sie in Abb.3 den Vergleich der Entwicklung des 50.000€ Kontos über 5 Jahre bei 3% monatlicher Rendite mit und ohne Zinseszinseffekt. Einem Kontostand von 140.000€ ohne Nutzung des Zinseszinseffektes steht ein Kontostand von sage und schreibe 286.000€ mit Zinseszinseffekt gegenüber. Wohlgemerkt sind beide Kurven mit identischen Trades und identischem prozentualen Risiken entstanden.


Vergleich einer Kontoentwicklung mit und ohne Zinseszins
Vergleich einer Kontoentwicklung mit und ohne Zinseszins

Der Zinseszinseffekt ist einer der vielen Gründe, warum ich ein ausgeklügeltes Programm zur Berechnung meiner Positionsgrößen verwende. Dabei kann ich direkt das angestrebte Risiko für einen geplanten Trade angeben und das Tool errechnet mir im Bruchteil einer Sekunde die optimale Positionsgröße.


Risikomanagement im DC TradeControl
Risikomanagement im DC TradeControl


Der Zinseszinseffekt bei Dividenden


Ganz ähnlich verhält es sich mit der Reinvestition von ausgezahlten Dividenden. Sobald auf einem Investment-Depot die ersten Dividenden gezahlt werden, muss eine Entscheidung getroffen werden, wie mit diesen Zahlungen umgegangen werden soll.

Werden anfallende Dividenden genutzt um laufende Rechnungen zu bezahlen, oder sich Dinge zu leisten, die man schon immer haben wollte? Oder nutzt man diese Dividenden eher um seine langfristigen finanziellen Ziele schneller zu erreichen?

Schauen wir uns dafür ein reales Beispiel an: Die Aktie von V.F. Corporation, stand im Januar 2000 bei 7,44 USD (den 1:4 Split im Februar 2013 mit reingerechnet). Hätte man zu diesem Zeitpunkt 1000 USD in die Aktie investiert, so hätte man 134 Aktien erworben.

Die Aktien wären heute (aktueller Kurs 89,40 USD) knapp 12.000 USD wert. Nicht schlecht! Zusätzlich konnte der Investor über die knapp 20 Jahre knapp 1.800 USD an Dividenden kassieren. Also insgesamt schon deutlich mehr, als sein ursprüngliches Investment.

Insgesamt hat er mit diesem Investment also fast 12.800 USD verdient.

Hätte der Investor auf den Konsum verzichtet und die Dividende in den Kauf von weiteren VFC Aktien gesteckt, so wäre die Gesamtsumme des Investments inzwischen auf über 18.000 USD angestiegen. Der Investor hätte anstatt 134 Aktien nun 202 Aktien im Depot, wenn er seine ausgezahlte Dividende immer zum Jahresanfang in neue Aktien investiert hätte.


Vergleich einer Investmententwicklung mit und ohne Re-Investierung von Dividenden
Vergleich einer Investmententwicklung mit und ohne Re-Investierung von Dividenden

Mit Hilfe der Reinvestments konnte also eine um 50 Prozent höhere Performance erzielt werden.


Fazit zum Zinseszinseffekt für Trader


Daytrader, Swing-Trader und auch Investoren sollten sich also einen Plan machen, wie sie mit ihren erwirtschafteten Trading-Profiten umgehen. Zumindest anfänglich empfiehlt es sich, so viel Profit wie möglich auf dem Trading-Konto zu belassen, um schnell die angestrebte Kontogröße zu erreichen und zum Beispiel eine Existenz als Vollzeit-Trader zu ermöglichen.

Für Dividenden gilt das gleiche wie für Trading-Gewinne. Es empfiehlt sich, auf Konsum zu verzichten und das Kapital anwachsen zu lassen, um seine Ziele schneller zu erreichen! Einige Broker bieten sogar einen sogenannten DRIP Service an, bei dem Dividenden automatisch (oft sogar ohne Ordergebühren) reinvestiert werden. Dabei können bei großen Brokern sogar hundertstel Aktien erworben werden, da der Broker einen Pool für alle Dividendenzahlungen der Kunden anlegt und mit diesem Pool die Aktien kauft, die dann zu den korrekten Anteilen auf die Kunden umgerechnet werden.

Der Zinseszinseffekt ist eigentlich ein alter Hut, aber viel zu wenige Anleger und Trader sind sich über seine enorme Wirkung im Klaren. Dabei ist der Effekt in den ersten Jahren noch relativ klein, nimmt mit steigender Investitionsdauer aber stark zu.

Insbesondere junge Anleger sollten den Zinseszinseffekt kennen und nutzen! Er kann den Unterschied zwischen normaler Rente und Wohlstand im Alter ausmachen!

Danke für Ihre Zeit und viel Erfolg beim Investieren
Ihr Martin Goersch

Über Martin Goersch 5 Artikel
Martin Goersch ist mittlerweile seit mehr als 15 Jahren hauptberuflicher Trader. Er begann seine Karriere während seines VWL- und Sinologie-Studiums mit dem Handel deutscher und chinesischer Aktien, später dann Rohstoff- und Index-Futures im Daytrading und Swingtrading. Als Gründer und CEO von Daytradingcoach vermittelt Martin Goersch sein Wissen an interessierte Trader und die, die es werden wollen. Grundlage seines Tradings sind sowohl trendfolgende Handelsansätze aus dem Bereich der Charttechnik sowie fundamental begründete Trades, die mit Hilfe von Saisonalitäten und der Interpretation von Commitments of Traders Positionen gehandelt werden.

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