Es ist schon verwunderlich, dass es in den letzten Monaten vermehrt zu Diskussionen um weitere Zinssenkungen und die Aufnahme von neuen Anleihekäufen kommt. Immerhin liegt der Schluss nahe, dass die Wirtschaft so richtig brummt. Denn der Dow Jones und die Technologiebörse Nasdaq befinden sich nahe ihrer Allzeithochs. Und auch der DAX ist nur 11 % von seinem bisherigen Hochpunkt entfernt. Wie passt das alles zusammen?
Es ist in der Tat eine eigenartige Situation. Das Timing für Zinssenkungen in Amerika wirkt auf den ersten Blick wie rein politisch motiviert. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Donalds Trump viel Druck aufgebaut hat, um Jerome Powell zu Zinssenkungen zu bewegen, die ökonomisch nicht notwendig sind.
Dieser Eindruck dürfte allerdings falsch sein. Denn das Allzeithoch in den amerikanischen Leitbörsen hat eben nichts mit einer überschäumenden Wirtschaft zu tun. Viel mehr handelt es sich bei dieser Entwicklung bereits um eine Verzerrung, die durch die insgesamt historischen niedrigen Zinsen erzeugt wurde. Die wirtschaftliche Entwicklung selbst ist sicherlich recht vernünftig gewesen, allerdings lange kein Grund für diese sportlichen Bewertungen.
Shiller KGV weiterhin sehr hoch
Das Shiller KGV, eine Kennziffer die auf den inflationsbereinigten Gewinnen der letzten 10 Jahre errechnet wird, ist mit Werten über 30 weiterhin sehr hoch. Eine solche Bewertung ist in der Historie vor allem im überschwänglichen Optimismus, getrieben durch einen Boom der Wirtschaft, zu sehen gewesen. Werte von über 30 wurden in den letzten 100 Jahren dabei nur 3 Mal erreicht.
Das Shiller KGV – was jetzt an den Börsen wirklich zählt
Nur in den Jahren direkt vor der Wirtschaftskrise 1929 und in den Jahren um 2000 waren die Bewertungen bereits so hoch wie aktuell. In beiden Fällen lag das Zinsniveau damals allerdings deutlich höher. Doch genau dieses Zinsniveau ist eben ein wichtiger Einflussfaktor auf die Bewertung von Vermögensgütern wie Aktien oder Immobilien. Daher sollte das, aktuelle eher hohe, Shiller KGV noch nicht überbewertet werden. Ein weiterhin niedriges oder sogar noch fallendes Zinsniveau könnte die Aktienmärkte in der Theorie auch über Werte von 40 oder 50 treiben – ohne wirtschaftlichen Boom.
Genau an dieser Stelle erkennt man, dass die „normalen Regeln der Bewertung von Aktienmärkten“ in einem Zinsumfeld wie dem aktuell vorherrschenden schwieriger werden. Die amerikanische Wirtschaft ist längst nicht so stark, dass sie weitere Zinsanhebungen verkraftet hätte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die massive – durch ultra tiefe Zinsen aufgebaute – Fehlbewertung der Aktienmärkte mit einem Knall abgebaut hätte, stieg zuletzt deutlich an. Nur noch wenige Unternehmen können wirklich positiv mit hohen Wachstumsraten überraschen. Und da ein Zinsanstieg nicht nur die Bewertung im Allgemeinen ändert, sondern auch die Gewinn- und Verlustrechnung von Unternehmen beeinflusst, wäre es in der Tat gefährlich für Amerika geworden, mit den Anhebungen fortzufahren.
In meinen Augen ist der Ausstieg aus den Zinserhöhungen und der Einstieg in einen neuen Senkungszyklus daher medial von Trump gefordert, aber sicherlich nicht der einzige Grund es wirklich zu tun. Doch kann das Zinsniveau überhaupt jemals wieder ansteigen? Kommt die Weltwirtschaft jemals wieder so stark auf die Beine, dass sich das Zinsniveau wieder „normalisieren“ kann?
Null- und Negativzins für immer?
Eines lässt sich mit Sicherheit sagen, die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Jederzeit sind Situationen möglich, die Prognosen in Luft auflösen können. Allerdings sind aus heutiger Sicht die Aussichten für ein steigendes Zinsniveau in den nächsten Jahren eher schlecht. Der Grund dafür ist das Enden des Superzyklus der Automobilindustrie.
Diese Basisindustrie trieb die Geschicke der Wirtschaft über Jahrzehnte an. Die ungeheure Kreditexpansion wurde massiv durch diese Branche vorangetrieben. Immerhin ist im Leben eines normalen Menschen das Auto gleich nach der Immobilie das oftmals teuerste Gut welches angeschafft wird. Und wer das Finanzsystem ein wenig versteht, der weiß, dass Wachstumsphasen durch Kreditexpansion erzeugt werden. Wer diese Zusammenhänge nicht versteht, sollte sich unbedingt folgendes Video ansehen:
Das Wachstum der letzten Jahrzehnte wurde maßgeblich durch die Autoindustrie angeschoben. Ohne eine neue Basistechnologie, die die Welt in einen neuen Kreditzyklus führt, ist ein dauerhaft „normales Zinsniveau“ auf die nächsten Jahre sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass wir Phasen von echten Negativzinsen sehen werden, die auch an Privatpersonen weitergereicht werden. Außerdem wird ein echter Crack-Up-Boom, angetrieben durch den Vertrauensverlust im Fiatgeld immer wahrscheinlicher. Keine schöne Aussicht für die risikoscheuen deutschen Sparer, die immer noch in Anlagen wie Festgeldern oder Tagesgeldern feststecken.
Kommentar hinterlassen