Nun ist es also passiert, die Korrektur an den Börsen ist – zumindest was die großen Technologiewerte angeht – in einen echten Bärenmarkt übergegangen – so nennen Börsianer einen Rückgang der Kurse um mehr als 20 Prozent. Besonders hart getroffen hat es angesichts von Rezessionsängsten die Chiphersteller, die schon immer als besonders zyklisch gelten. Und wie geht es dem Börsenstar NVIDIA?
NVIDIA war als führender Hersteller von Grafik-Chips in den vergangenen Jahren ein Liebling der Anleger. Die NVIDIA-Aktie ist seit dem historischen Hoch innerhalb von nur 2 Monaten um fast 50 Prozent kollabiert – nachdem sich die Aktie in den vergangenen 3 Jahren im Wert verzehnfacht hatte.
Grund genug für uns, einmal näher auf die NVIDIA-Aktie zu schauen – auch wenn wir den Wert noch nie im Portfolio des DLF hatten.
Generell werden derzeit vor allem diejenigen Aktien abverkauft, die im aktuellen Jahr besonders gut gelaufen waren – und zwar unabhängig von der Qualität der Unternehmen. In der nun beginnenden Schnäppchenjagd muss es also darum gehen zu unterscheiden, welche Unternehmen den Wertzuwachs der vergangenen Jahre rechtfertigen können und wo jetzt nur heiße Luft aus einem aufgeblasenen Aktienkurs entweicht. Die Aktien der ersten Kategorie werden sich sehr schnell wieder erholen sobald der allgemeine Ausverkauf beendet ist, während die anderen ihre alten Höchstkurse vielleicht nie wieder sehen werden.
Was macht NVIDIA?
Aber zurück zu NVIDIA: Das Unternehmen ist längst viel mehr als der Grafikkartenhersteller vergangener Zeiten. 1999 hat NVIDIA die sogenannten GPU-Chips (Graphics Processing Unit) erfunden. Das sind auf die Berechnung von Grafiken optimierte Prozessoren für Computer, Spielkonsolen und Smartphones. Diese GPU-Chips unterscheiden sich grundlegend von der klassischen CPU (Central Processing Unit), die ja seit jeher als das Gehirn eines Computer bezeichnet werden. GPU-Chips bestehen aus massiven parallelen Strukturen. Die können genutzt werden, um die Leistung einer CPU hundertfach zu beschleunigen und machen so komplexe, rechenintensive Datenverarbeitungen erst möglich. Diese GPUs sind für Gamer unabdingbar, sie spielen aber auch eine zentrale Rolle in vielen geschäftlichen Anwendungen.
3D Modellierung und Videobearbeitung sind klassische Anwendungsfälle und in jüngster Zeit werden GPUs auch zunehmend eingesetzt zur Entwicklung von Anwendungen rund um die Künstliche Intelligenz (AI). Denn die Umsetzung von Deep Learning Algorithmen im Umfeld von neuronalen Netzwerken benötigt vor allem die massive parallele Verarbeitung von Daten.
Ein weiterer Anwendungsfall für die GPU ist das Mining von Kryptowährungen – und hier liegt eine der Hauptursache für den schnellen Aufstieg und den rapiden Fall der NVIDIA-Aktie in der jüngeren Vergangenheit.
NVIDIA setzt auf 4 Geschäftsbereiche: Gaming, Professional Visualization, Datacenter und Automotive.
Gaming-Krypto Desaster für NVIDIA
Der mit Abstand größte Bereich ist Gaming, er lieferte in den letzten Quartalen weit über 50 Prozent des Gesamtumsatzes.
Wenn man die Umsatztrends der letzten 4 Jahre betrachtet, dann erkennt man sehr schnell, dass es eine Umsatzexplosion im Gaming-Segment gab. Im Zeitraum vom Mai 2016 (Q2 FY17) bis Januar 2018 (Q4 FY18) konnte dieser größte Umsatzstrom um über 150 Prozent gesteigert werden.
Leider gibt es keine nachprüfbaren Zahlen zur Abhängigkeit dieses Geschäftsbereiches vom Krypto-Mining.
Aber es ist schon augenfällig, dass dieser Gaming-Boom bei Nvidia in die gleiche Zeit fällt wie der Krypto-Hype.
Ich gehe jedenfalls fest davon aus, dass ein Großteil dieser Umsatzzuwächse auf das Konto der Kryptowährungen geht.
Was mir übel aufstößt dabei ist, dass das Nvidia Management erst anlässlich der Umsatzwarnung in der vergangenen Woche zugegeben hat, dass die unglaublichen Zuwächse im Gaming-Segment (60 Prozent im H1 2018 gegenüber dem Vorjahr) vom Krypto-Boom stammten und nicht etwa vom E-Sport-Boom.
Entweder das Management war da bisher nicht offen und ehrlich, oder aber es hatte wirklich keine Ahnung wofür die eigenen Produkte eingesetzt wurden. Ich weiß nicht, was schlimmer ist…
Diese Krypto-Sonderkonjunktur ist nun jedenfalls vorbei. Daher musste Nvidia wenig überraschend die eigenen Geschäftserwartungen für das laufende Quartal drastisch senken auf nur noch $2,7 Milliarden – dieser Umsatz liegt 20 Prozent(!) unter den letzten Analystenschätzungen. Und das wäre ein deutlicher Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr.
Es bleibt abzuwarten, ob es sich hier nur um ein vorübergehendes Problem handelt, oder ob das Gaming-Segment – auch angesichts stärker werdenden Konkurrenz durch AMD – auf längere Zeit schwächelt. In jedem Fall wird es in den kommenden Quartalen auch aufgrund der durch die Krypto-Umsätze verzerrten Vergleichsquartale wohl unmöglich für Nvidia sein, ordentliche Geschäftszahlen abzuliefern.
NVIDIA und das AI-Business
Der zweitwichtigste und schnell an Bedeutung zunehmende Umsatzstrom von Nvidia ist das Datacenter-Segment. Das ist die Nvidia Server-Hardware, man kann man sich darunter (vereinfacht) die NVIDIA Hardware für AI Anwendungen vorstellen.
Im letzten Quartal haben die NVIDIA-Produkte für den Einsatz in Rechenzentren schon 25 Prozent am Gesamtumsatz beigesteuert, der Umsatzanteil hat sich damit in nur 2 Jahren verdoppelt. Allerdings flacht das Wachstum derzeit deutlich ab: Während der Bereich vor 12 Monaten noch über 100 Prozent Wachstum gegenüber Vorjahr aufwies, sind die Zuwachsraten auf zuletzt “nur” noch 58 Prozent zurückgegangen (nach 82 Prozent im Vorquartal).
Der Zukunftsmarkt für AI-Chips ist erst in der Entstehung und der Wettbewerb wird intensiver.
Cloud-Riesen wie Google, Facebook und Apple entwickeln eigene proprietäre AI-Chips, Microsoft nutzt innovative FPGA-Chips von Xilinx (Field ProgrammableGate Arrays) und verschiedene US und China-Startups versuchen ebenfalls, diesen Markt zu disrupten.
Es steht derzeit noch lange nicht fest, ob NVIDIA in einem zunehmend wettbewerbsintensiven AI-Hardware-Markt auch in Zukunft eine dominierende Stellung einnehmen beziehungsweise behaupten kann. Ich bin da grundsätzlich erstmal skeptisch.
Aber es gibt Grund für Hoffnung.
https://trading-treff.de/trading/nvidia-corporation-mit-ku%cc%88nstlicher-intelligenz-zum-allzeithoch
NVIDIA-Aktie: Grund für Optimismus
Zunächst mal ist es ja eher ein Grund zur Besorgnis für NVIDIA, wenn der attraktive Zukunftsmarkt für AI-Hardware so viele neue Wettbewerber anzieht. Auf der anderen Seite eröffnet die Zersplitterung des Marktes auch eine große Chance, wenn es gelingt, das Developer-Mindset zu erobern. Denn die Erfahrung zeigt, dass Entwickler-Communities in komplexen Märkten langfristig maximal 2 unterschiedliche Technologien ausreichend unterstützen.
Aus diesem Grund hat sich zum Beispiel am Markt für mobile Betriebssysteme ein Duopol bestehend aus Googles Android und Apples iOS entwickelt. Im Endeffekt werden es die AI-Entwickler sein, die durch ihre Unterstützung darüber entscheiden, welche AI-Chips und die auf ihnen aufbauenden Software-Frameworks den Markt beherrschen werden.
Und da scheint NVIDIA in einer vielversprechenden Ausgangsposition zu sein:
Wir haben mit Bryan Loughry gesprochen, der schon seit 2001 in USA im Bereich Deep Learning forscht.
Er sieht heute in der Praxis bei der Entwicklung von Deep Learning Applikationen keine wirklichen Alternativen zur NVIDIA-Plattform.
Der große Vorteil gegenüber den Alternativen sei, dass nur rund um die NVIDIA GPUs mittlerweile ein ganzes Ökosystem von Software-Frameworks entstanden ist, welches die Komponenten für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete schnell und relativ einfach nutzbar macht.
Mit NVIDIA sei die Erstellung von selbstlernenden Machine Learning Anwendungen tatsächlich viel weniger zeitaufwendig geworden.
Daher setze NVIDIA seiner Meinung nach aktuell den defakto-Standard und der Großteil der AI-Startups baut ihre Deep Learning – Applikationen auf der Basis der flexiblen NVIDIA Plattform.
Soweit die Experten-Meinung aus einem Forschungslabor in USA.
Den Praxistest im AI-Umfeld überstehen die NVIDIA GPUs also offenbar mit Bravour. Es ist daher zu erwarten, dass NVIDIA tatsächlich so etwas wie einen Industriestandard definieren kann und zukünftig zum Beispiel auch in sehr vielen autonom fahrenden Autos enthalten sein wird. Allerdings ist das alles Zukunftsmusik und noch relativ weit weg.
Die Größe des von NVIDIA adressierbaren AI-Marktes und seine zeitliche Entwicklung kann noch gar nicht seriös abgeschätzt werden.
NVIDIA-Aktie: Fazit
Auch wenn die Börse stets die Zukunft vorweg nimmt: Der Nimbus von NVIDIA als High-Growth-Unternehmen dürfte durch die kommenden schwierigen Quartale zunächst einmal verloren gehen. Die NVIDIA-Aktie dürfte angesichts von wohl unvermeidlichen Umsatz- und Margenrückgängen in der nahen Zukunft wieder als zyklischer Halbleiterwert und damit deutlich niedriger bewertet werden. Die immer noch gültigen Kursziele der Analysten von durchschnittlich knapp 300$ pro Aktie gehören in die Kategorie Wunschdenken und Utopie. Die Analysten-Herde wird (leider viel zu spät) die Kursziele der brutalen Realität anpassen müssen.
Dennoch kann die NVIDIA-Aktie auch für das Portfolio des DLF langfristig interessant werden, nämlich sobald sich abzeichnet, dass das Unternehmen einen Industriestandard für AI-Anwendungen setzt. Wir werden NVIDIA bis dahin weiterhin von der Seitenlinie aus beobachten und auch nach der 50 Prozent Kurskorrektur bis auf weiteres noch nicht in die NVIDIA-Aktie investieren. Denn die Unsicherheiten und kurzfristigen Kursrisiken sind einfach zu groß. Der Newsflow dürfte noch eine ganze Weile negativ bleiben.
Interview mit Stefan Waldhauser – Fonds-Initiator und Investor