Fiatgeld – Wie funktioniert die Geldschöpfung?

Es gibt kaum einen größeren Mythos als die Geldschöpfung. Oft herrscht eine gewisse Verwirrtheit darüber, was Geld ist und wie es erschaffen wird. Mit den dadurch entstehenden Mythen über die Geldschöpfung möchte ich heute aufräumen. Dazu werde ich zuerst einmal in die Vergangenheit der Geldschöpfung schauen, um im Anschluss die aktuelle Lage des Fiatgeldes zu beleuchten. Am Ende dieses Artikels finden Sie dann das Fazit zum Fiatgeld. Doch beginnen wir mit einer Definition des Begriffs Fiatgeld.

 

Definition Fiatgeld

 

Das Wort Fiat leitet sich vom lateinischen Verb fieri ab und bedeutet „werden, entstehen, wachsen, geschaffen werden“. Damit wird das Fiatgeld per Wille und nicht aufgrund seines inneren Wertes zu einem Tauschobjekt des Wirtschaftskreislaufes. So unterscheidet sich das Fiatgeld deutlich von anderen Formen des Geldes, wie zum Beispiel dem Warengeld Gold.

 

Geldschöpfung – Ein Blick in die Vergangenheit

 

Im Moment befinden wir uns wieder in einer Phase, in der sich das Kapital und der Besitz erneut zunehmend in wenigen Händen konzentriert.

Solche Phasen hat es schon weit vor Christus gegeben und diese manifestierten sich oft im Anstieg der Schuldsklaverei. Wer seine Schulden nicht mehr zahlen konnte, wurde zu einem unfreien Sklaven und konnte sogar in alle Welt hinaus verkauft werden.

Ein erstes Beispiel von einem durch Ungleichheit hervorgerufenen sozialen Unfrieden lässt sich in der Geschichte Athens finden.

Gehen wir hier in der Zeit zurück und schauen uns einmal an, was dort damals passiert ist: Die Forschung streitet über den genauen Zeitpunkt der Reformen des Solons. Uns kann es aber egal sein, ob diese nun 594 / 593 v. Chr. oder erst 570 v. Chr. stattfanden.

Zu der Zeit herrschte eine Verschuldungskrise in Athen, deren Opfer die Hektemorier (Kleinbauern) waren. Diese wurden durch Wucher immer weiter herabgerissen und jeder dieser Kleinbauern musste fürchten, dass er in der Schuldsklaverei endet. Dies alles geschah der Überlieferung zufolge durch adlige Großgrundbesitzer, die ein Sechstel der Ernte der Kleinbauern als Schuldentilgung verlangten.

 

Münzprägung in frühen Zeiten

 

Auch die Münzprägung lag in den Händen der adligen Großgrundbesitzer. Das brachte sie in die Position, Zahlungsmittel zu erschaffen. Diese konnten sie dann zu einem höheren Preis als den Herstellungspreis verleihen (something for nothing).  So schafften sie nicht nur einen Zugewinn durch Zinsen auf die vergebenen Darlehen sondern auch durch die Prägung von Münzen.

Solon wurde in dieser Zeit als Schlichter berufen und setzte unter anderem die Lastenabschüttlung (Seisachtheia) durch. Dabei wurde den Schuldnern gepfändetes Land zurückerstattet und auch die Schuldsklaven wurden befreit, selbst wenn sie schon nach außerhalb Athens verkauft worden waren.

Außerdem wurden die Preise der Agrarrohstoffe festgeschrieben, so dass die Schulden durch den Verkauf dieser kalkulierbarer getilgt werden konnten. Zu guter Letzt begab Solon reichlich schuldenfreies Münzgeld aus Staatshand. Der Staat übernahm also die Münzprägung.

 

Erfolg der Geldreform

 

Diese Reformen scheinen so erfolgreich verlaufen zu sein, dass einige Jahrzehnte darauf das römische Volk eine Gesandtschaft nach Athen und in andere griechische Städte schickte, um die Gesetze Solons zu kopieren und diese schließlich nach Rom zu bringen. Denn auch in Rom herrschte zu der Zeit eine große soziale Unruhe. Die Gesetze sind bekannt als Zwölftafelgesetz.

Wir sehen hier, unsere heutigen Probleme sind nicht neu sondern recht alt und existierten bereits in der Antike. In Athen kam es aufgrund der privaten Geldschöpfung zu einer extremen Anhäufung von Besitz in wenigen Händen.  Der Rest des Volkes jedoch lebte in der Angst, wirtschaftlich zu verenden und am Ende selbst zu einem wirtschaftlichen Subjekt degradiert zu werden, dass dann sogar hin und her verkauft werden konnte.

Nach den Reformen Solons befassten sich noch viele andere mit den Problemen der Geldschöpfung. Aristoteles sagt dazu sinngemäß, „Geld ist nicht Natur gegeben, sondern existiert durch Gesetz“. Diese Aussage impliziert, dass die Geldschöpfung beim Staat liegt und der innere Wert des Zahlungsmittel nicht dem durch Gesetz definierten Wert entsprechen muss.

 

Geldschöpfung durch Kirche oder Souverän

 

Springen wir nun einmal Richtung Neuzeit. Denn bis dahin war es üblich, dass das Privileg der Geldschöpfung beim Souverän oder der Kirche lag. Im Jahr 1666 kam es zu dem English Free Coinage Act, der dieses Privileg in private Hände übergab.

Im Jahr 1694 wurde dann auch die Bank of England gegründet. Alexander Del Mar wies 1895 nach, dass der Free Coinage Act zu verschiedenen Paniken und Krisen führte, die in dieser Form zuvor unbekannt waren.

Zwischen den Jahren 1694 bis 1890 kam es zu verschiedenen Finanzkrisen, die nie weiter als 25 Jahre auseinander lagen. Bei einer Untersuchung der vorherigen Zeit kam G. B. Shaw zu dem Ergebnis, dass in der Englischen Geschichte der Souverän immer verantwortungsvoll mit der Geldschöpfung umgegangen ist und es nur ein negatives Beispiel gab. Dieses Negativbeispiel war Henry VIII.

 

Die Natur des Geldes

 

In den Zeiten der Aufklärung wurde die Natur des Geldes und sein Ursprung auch von anderen bekannteren Charakteren diskutiert.

David Ricardo schrieb z.B. in seinem Essay „Proposals for an economical and secure currency“ über diese Zusammenhänge und sprach sich für eine starke Kontrolle der Geldschöpfung durch den Staat aus und dass dieser die ausgegebenen Noten garantieren muss, um den Bürger vor Panik zu schützen.

Die starke Kontrolle und die Garantie sprechen dafür, dass auch hier der Staat, der Souverän, die alleinige Macht zur Geldschöpfung inne hat. Auch Jon Locke äußerte sich ähnlich zu dieser Thematik. Geld entsteht durch Common und Civil Law und beruht nicht auf seinem inneren Wert. Ob das Zahlungsmittel nun aus Metall besteht oder aus Papier ist egal, denn Geld entsteht durch Gesetz.

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Geld als Verursacher der Wirtschaftskrisen

 

Gehen wir nun auf ein Kapitel der Deutschen Geschichte ein. Dazu schreiben Jaromir Benes und Michael Kumhof im Diskussionspapier „The Chicago Plan Revisited“ folgendes:

Finally, a brief word on a favorite example of advocates of private control over money issuance, the German hyperinflation of 1923, which was supposedly caused by excessive government money printing. The Reichsbank president at the time, Hjalmar Schacht, put the record straight on the real causes of that episode in Schacht (1967). Specifically, in May 1922 the Allies insisted on granting total private control over the Reichsbank. This private institution then allowed private banks to issue massive amounts of currency, until half the money in circulation was private bank money that the Reichsbank readily exchanged for Reichsmarks on demand. The private Reichsbank also enabled speculators to short-sell the currency, which was already under severe pressure due to the transfer problem of the reparations payments pointed out by Keynes (1929).21 It did so by granting lavish Reichsmark loans to speculators on demand, which they could exchange for foreign currency when forward sales of Reichsmarks matured. When Schacht was appointed, in late 1923, he stopped converting private monies to Reichsmark on demand, he stopped granting Reichsmark loans on demand, and furthermore he made the new Rentenmark non-convertible against foreign currencies. The result was that speculators were crushed and the hyperinflation was stopped. Further support for the currency came from the Dawes plan that significantly reduced unrealistically high reparations payments. This episode can therefore clearly not be blamed on excessive money printing by a government-run central bank, but rather on a combination of excessive reparations claims and of massive money creation by private speculators, aided and abetted by a private central bank.

Insgesamt kommt die Vermutung auf, dass weder die Art des Geldes und der innere Wert dessen, noch die staatliche Geldschöpfung das Problem und der Ursprung der Finanzkrisen in den vergangenen Jahrhunderten war, sondern die private Gelderschaffung.

Ob es nun die Antike betrifft, Byzanz, England ab 1694 oder halt die Deutsche Hyperinflation 1923, es war anscheinend immer die private Geldschöpfung, die die Probleme durch zunehmende Gier oder aus der Not geboren erschuf.

 

Wie funktioniert die Geldschöpfung?

 

Früher hatte derjenige einen Vorteil, der das Münzrecht inne hatte. Er konnte ein Metall egal welcher Qualität als Geld münzen und ihm einen Wert zuschreiben, der sogar über dem eigentlichen Rohstoffwert liegen konnte. Wenn dieser Akteur gleichzeitig die neuen Münzen, also das neu geschaffene Geld, gegen Zinsen verlieh, konnte er nicht nur einen Vorteil aus dem Münzrecht ziehen, also die Differenz zwischen den Kosten der Herstellung und dem zugeschriebenen Wert einstreichen, sondern zusätzlich an dessen Verleih und den darauf folgenden Zinsen profitieren.

Eine solche Vermählung von Geldschöpfung und Intermediär des Geldes, der sogleich die Zinsen selbst festlegen konnte, führt zu einer extremen, nicht wünschenswerten, Anhäufung von Besitz.

 

US-Dollar
Druckfrische Dollar-Scheine

Zur Geldschöpfung gibt es zwei Modelle. Zuerst stelle ich dasjenige vor, das den meisten Menschen geläufig ist, da es rein von der einfachen Logik her plausibel klingt.

 

Das Money Multiplier Model

 

Einfach dargestellt, besagt dieses System, dass die Bank erst auf die Einlage eines Sparers warten muss, bis sie einen Kredit vergeben kann, die Zentralbanken die ultimative Kontrolle über die Geldmenge im Wirtschaftskreislauf haben und diese jederzeit durch die Erhöhung oder Verringerung der Mindestreserve steuern können. Bei diesem Model kann die Geldmengenzufuhr nicht außer Kontrolle geraten, außer die Zentralbank selbst erlaubt es.

Das führt zu der Annahme, dass die Zentralbanken die Mindestreserve festlegen und eine Geldbasis erschaffen und diese in die Wirtschaft einfließen lassen. Die Geschäftsbanken verleihen die meisten ihrer Einlagen, bis auf die Mindestreserve, zu der sie durch eine Zentralbank verpflichtet sind.

Dabei wird das zusätzliche Geld ausgegeben und fließt als Einlage einer anderen Bank zu. Diese kann nun den ersten Betrag abzüglich der zuvor einbehaltenen Mindestreserve wieder weiterverleihen und behält auch wieder die Mindestreserve ein, so dass der nächste Kredit wieder kleiner ist als der vorherige. Durch diesen Prozess, der dazu führt das irgendwann kein Geld mehr verliehen werden kann, ist die Geldmenge im Wirtschaftskreislauf ein Vielfaches von der ursprünglichen Geldbasis und abhängig vom Mindestreservesatz.

Ist das wirklich so?

Zu dieser Annahme schrieb im Jahr 2014 die Bank of England:

“Another common misconception is that the central bank determines the quantity of loans and deposits in the economy by controlling the quantity of central bank money — the so-called ‘money multiplier’ approach. In that view, central banks implement monetary policy by choosing a quantity of reserves.  And, because there is assumed to be a constant ratio of broad money [M3] to base money, these reserves are then ‘multiplied up’ to a much greater change in bank loans and deposits. For the theory to hold, the amount of reserves must be a binding constraint on lending, and the central bank must directly determine the amount of reserves. While the money multiplier theory can be a useful way of introducing money and banking in economic textbooks, it is not an accurate description of how money is created in reality.“

Kommen wir nun zum anderen Model.

 

Das Credit Creation Model

 

Als Einleitung möchte ich hier Alan Holmes, ehemaliger Senior Vice President of the Federal Reserve Bank of New York, zitieren. Im Jahr 1969 sagte er folgendes zur Geldschöpfung:

„In the real world, banks extend credit, creating deposits in the process, and look for the reserves later.“

Das bedeutet, dass Banken gleichzeitig neue Guthaben und damit neues Geld erschaffen, wenn sie Geld verleihen. Und das führt dazu, dass die Geschäftsbank neue Reserven bei der Zentralbank anfordert, um am Ende des Tages alle Buchungen zu Gunsten einer oder mehrerer anderer Banken erfüllen kann.

Dadurch ist die Zentralbank in der Zwangslage, dass sie Reserven liefern muss, wenn eine Geschäftsbank diese nachfragt. Ein weiterer Effekt in diesem Model ist die Tatsache, dass Geld nicht nur durch Geschäftsbanken erschaffen wird, sondern auch Geld gelöscht wird, sobald ein Kredit zurückgezahlt wird.

Diese Umstände führen dazu, dass die Geschäftsbanken allein die Geldmenge bestimmen und nicht die Zentralbanken. Denen fällt nur die Aufgabe zu, alle angeforderten Reserven zu liefern, so dass am Ende des Tages alle Forderungen der Banken untereinander erfüllt werden können.

Im Endeffekt steht das Credit Creation Model diametral zu dem Money Multiplier Model. Der Schwanz wedelt mit dem Hund, würde Oma sagen.

Zusammenfassend kann man behaupten, dass die Banken die Rolle der adligen Grundbesitzer des alten Athen übernommen haben. Sie haben nicht nur die Geldschöpfung inne, sondern sie stellen auch in Personalunion den Intermediär dar, der direkt den Zins festlegt. Dieser Umstand ist besorgniserregend und höchstwahrscheinlich auch das Grundübel, dass immer wieder in extreme Finanzkrisen führt.

Wieso sollten Banken, solang die Wirtschaft läuft und kreditwürdige Schuldner gefunden werden, nicht unbegrenzt Kredite vergeben dürfen. Was ist das Problem dabei?

 

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Fiatgeld – ein Fazit

 

Wir stellten fest, dass Banken ja nicht nur Fiatgeld erschaffen, sondern auch löschen können. In einem wirtschaftlich gut laufenden Umfeld, wird gerne wesentlich mehr Kredit vergeben und damit Fiatgeld geschaffen, als es nötig für eine anständig wachsende Wirtschaft wäre. Das geschieht zur eigenen Profitmaximierung, was man den Banken nicht verübeln sollte. Sie handeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten, der Primat schaut einfach nur zu. Es kommt infolge einer solchen Geschäftspolitik zu Exzessen. Ob es sich dabei nun um den Anstieg der Asset-Preise handelt oder um irgendwas anderes, ist recht egal.

Wenn die Banken die Wirtschaft in Zukunft als schwächer einschätzen, kommt es zu einer Kontraktion der ausgegebenen Kreditmenge. Sie vergeben kaum neue Kredite und bestehende werden getilgt. Es wird Geld „gelöscht“ und damit kommt es auch zu einen Einbruch der Wirtschaft, der oft in eine Finanzkrise führt.

Denn hier verstärken sich beide Entwicklungen gegenseitig und wir kommen zu einer „Gamma Bombe“.

Nicht die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst den Kreditzyklus aus Boom and Bust-Phasen, sondern der Kreditzyklus beeinflusst die wirtschaftliche Entwicklung. Fiatgeld ist damit ein maßgeblicher Einflussfaktor auf unsere Wirtschaft.

Leider wird die kommende Abstimmung in der Schweiz über die Vollgeld-Initiative aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Trotzdem ist die weitere Entwicklung spannend, da die Überlegungen nicht auf die Schweiz isoliert sind. Selbst im IMF wird das Chicagoer Modell diskutiert und auch in Island ist die Monetary Reform noch nicht vom Tisch.

Die Isländische Notenbank gab auf eine Anfrage des Althingi folgende Antwort.

„The Central Bank of Iceland sees the discussion on the arrangements of money creation as generally beneficial and therefore does not propose any amendments to the resolution.“

Selbst in Spanien gibt es solche recht prominente Stimmen.

On 07 November 2017 Miguel Ángel Fernández Ordóñez, former governor of the Bank of Spain, made a statement in favour of money being created by public institutions instead of private banks. Speaking at the Investigative Commission on Spain’s financial crisis and financial assistance programme, Ordóñez cited technological advances as an argument in favor of stable money creation by the State, specifically referring to research by Positive Money UK, a member organisation of the IMMR.

 

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Mehr Informationen

 

Weitere Gedanken zu einer Lösung der Probleme hatte sich der Autor deepinsidehps im Artikel „Partizipalismus“ gemacht. Ein, wie ich finde, sehr lesenswerter Artikel.

 

Quellen:

IMF

David Ricardo Proposals for an economical and secure currency

John Locke Über die Regierung

Wikipedia

Money Reform

PositiveMoney

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3 Kommentare zu Fiatgeld – Wie funktioniert die Geldschöpfung?

  1. Es geht nicht darum wie „Geld“ geschaffen wird. Es geht um die Freiheit Geld schaffen zu können. Jeder soll das Geld nutzen dürfen, das er bevorzugt.
    Wir haben ein Geldschöpfungsmonopol, das natürlich unfreiheitlich ist.

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