Globale Märkte: Tarifpause verändert Risikoszenarien

Die temporäre Aussetzung amerikanischer Strafzölle führt zu Marktentlastung, während exportorientierte Volkswirtschaften weiterhin unter Druck stehen und Rezessionsrisiken steigen.

Globale Märkte: Tarifpause verändert Risikoszenarien
Kurz & knapp:
  • Handelspolitische Entscheidungen beeinflussen Börsenindizes
  • Exportnationen unter erhöhtem Wirtschaftsdruck
  • Zentralbanken überdenken Zinsstrategien
  • Anleger suchen sichere Investitionshäfen

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, bei der geplanten Einführung von Strafzöllen eine 90-tägige Pause einzulegen – mit Ausnahme von China – hat an den globalen Finanzmärkten für Aufatmen gesorgt. Besonders die Aktienmärkte reagierten positiv auf die überraschende Ankündigung vom Wochenende. Die Futures auf den kanadischen Hauptindex S&P/TSX stiegen am Montag um 0,8 Prozent, nachdem bekannt wurde, dass Smartphones und Computer von den "gegenseitigen" Zöllen gegen China ausgenommen werden.

Handelspolitischer Kurswechsel mit globalen Auswirkungen

Die vorübergehende Aussetzung der Strafzölle hat direkte Auswirkungen auf die Risikoeinschätzungen an den internationalen Finanzmärkten. Während die Ausnahme von 20 Produktkategorien, die etwa 23 Prozent der US-Importe aus China ausmachen, für Elektronik- und Technologiehersteller zunächst positiv ist, bleibt die Unsicherheit bestehen. Trump kündigte bereits an, dass Entscheidungen über Halbleiterzölle innerhalb der nächsten Woche und über Mobiltelefone "bald" getroffen werden sollen.

Diese handelspolitische Unbeständigkeit sorgt für anhaltende Volatilität. Der kanadische S&P/TSX-Index hat seit seinem Rekordhoch Ende Januar rund 9 Prozent eingebüßt. Auch die deutsche Wirtschaft steht unter erheblichem Druck. Das Bundeswirtschaftsministerium warnte am Montag in seinem Monatsbericht: "Aufgrund der US-Zollpolitik ist die Unsicherheit über die Entwicklung des deutschen Exporthandels derzeit außergewöhnlich hoch." Eine Erholung der Nachfrage sei angesichts des zunehmenden Protektionismus nicht zu erwarten. Bei der Industrieproduktion rechnet das Ministerium in den kommenden Monaten mit "einer erneuten, spürbaren Abschwächung".

Zentrale Volkswirtschaften im Fokus

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China wirkt sich besonders auf kleinere, exportorientierte Volkswirtschaften aus. Taiwan, ein bedeutender Halbleiterproduzent, hat die ersten direkten Gespräche mit den USA aufgenommen, um von den drohenden 32-prozentigen Zöllen verschont zu bleiben. Taiwans Präsident Lai Ching-te erklärte am Montag, dass die erste Phase der Verhandlungen "reibungslos" verlaufen sei. Er hoffe, diese Herausforderung nutzen zu können, um eine neue Handelsstruktur zu fördern, die er als "Taiwan plus eins" – also Taiwan plus die USA – bezeichnet.

Gleichzeitig steigt die Rezessionsgefahr in Kanada deutlich. Laut einer Reuters-Umfrage unter Wirtschaftsexperten vom 7. bis 11. April wird sich das Wirtschaftswachstum in Kanada auf 1,2 Prozent in diesem Jahr und 1,1 Prozent im nächsten Jahr verlangsamen – ein deutlicher Rückgang gegenüber den noch vor einem Monat prognostizierten 1,7 Prozent und 1,6 Prozent. Einige Experten rechnen sogar mit einer Rezession noch in diesem Jahr.

Andrew Kelvin, Leiter der kanadischen und globalen Zinsstrategie bei TD Securities, erklärt: "Die aktuellen Handelspolitiken reichen aus, um etwa einen Prozentpunkt vom kanadischen Wachstum abzuziehen." Von 15 befragten Ökonomen schätzten 14 das Rezessionsrisiko für Kanada in diesem Jahr als "hoch" ein.

Währungsmärkte und Zentralbankreaktionen

Die Handelsspannungen wirken sich auch auf die Währungsmärkte aus. In Argentinien fiel der Peso am Montag um etwa 17 Prozent, nachdem die Zentralbank ihr sogenanntes "Crawling Peg"-System aufgegeben und zu einem wesentlich breiteren Handelsband von 1.000 bis 1.400 Pesos pro Dollar übergegangen war. Dieser Schritt erfolgte, nachdem Buenos Aires ein 20-Milliarden-Dollar-Kreditprogramm mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbart und am Freitag große Teile seiner Währungs- und Kapitalkontrollen aufgehoben hatte.

Die argentinischen Auslandsobligationen legten daraufhin zu, wobei einige Laufzeiten mehr als 4 Cent pro Dollar zulegten. Goldman Sachs erwartet "eine positive Marktreaktion auf die am Freitag gemachten Ankündigungen" und fügt hinzu, dass der neue flexible Wechselkurs "unsere Erwartungen übertroffen hat".

Die Zentralbanken stehen vor der Herausforderung, auf die veränderten wirtschaftlichen Risiken zu reagieren. Während die Bank of Canada trotz des erhöhten Rezessionsrisikos bei ihrer Sitzung am 16. April voraussichtlich die Zinsen unverändert bei 2,75 Prozent belassen wird, rechnen mehr als die Hälfte der befragten Ökonomen (15 von 29) mit zwei weiteren Zinssenkungen bis zum Ende des dritten Quartals. Dies würde den Zinssatz auf 2,25 Prozent senken, das untere Ende des von der Bank als "neutral" bezeichneten Bereichs von 2,25 bis 3,25 Prozent.

Finanzierungsstrategien für instabile Zeiten

Angesichts der globalen Unsicherheiten überdenken institutionelle Anleger ihre Portfoliostrategien. Die japanische Norinchukin Bank, eine der größten institutionellen Investoren Japans, betrachtet japanische Staatsanleihen (JGBs) nun als natürliches Anlageziel für mittel- und langfristige Investitionen, wie der neue CEO Taro Kitabayashi mitteilte. Die Rückkehr der Inflation und höhere Zinssätze haben diese Anleihen attraktiver gemacht.

Seit dem vergangenen Jahr hat Norinchukin ausländische Anleihen im Wert von mehreren Milliarden Dollar verkauft, nachdem sie massive Verluste auf ihre Bestände erlitten hatte, als die Zinssätze in den USA und Europa stärker als erwartet gestiegen waren. In den neun Monaten bis Dezember 2024 veräußerte die Bank niedrig verzinsliche Vermögenswerte im Wert von 12,8 Billionen Yen (etwa 90 Milliarden Euro), hauptsächlich US-amerikanische und europäische Staatsanleihen.

Internationales Krisenmanagement verstärkt sich

Während die handelspolitischen Spannungen zunehmen, verstärken sich auch die internationalen Bemühungen, bestehende Konflikte zu bewältigen. Großbritannien hat am Montag 752 Millionen Pfund (990 Millionen Dollar) an die Ukraine überwiesen, um Luftverteidigungssysteme und Artillerie zu kaufen. Dies ist Teil eines umfassenderen internationalen Kreditprogramms in Höhe von 50 Milliarden Dollar, das durch eingefrorene russische Vermögenswerte abgesichert wird.

"Die Welt verändert sich vor unseren Augen, umgestaltet durch globale Instabilität, einschließlich russischer Aggression in der Ukraine", erklärte die britische Finanzministerin Rachel Reeves. Die Zahlung ist die zweite von drei Raten, die sich insgesamt auf 2,26 Milliarden Pfund belaufen. Die erste erfolgte am 6. März, die letzte wird im nächsten Jahr ausgezahlt.

Verteidigungsminister John Healey sagte, Großbritannien werde der Ukraine in diesem Jahr Unterstützung in Höhe von 4,5 Milliarden Pfund gewähren. Die Mittel würden für den Kauf von Luftverteidigungssystemen, Artillerie und Ersatzteilen für Fahrzeuge und andere Ausrüstung verwendet.

Ausblick und Entwicklungsperspektiven

Die aktuellen Entwicklungen deuten auf eine Periode erhöhter Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten hin. Die temporäre Aussetzung der meisten US-Strafzölle bietet zwar kurzfristig Erleichterung, doch die grundsätzliche Tendenz zu mehr Protektionismus bleibt bestehen. Besonders exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland, Kanada und Taiwan dürften weiterhin unter Druck stehen.

Für Argentinien könnte der IWF-Deal einen Wendepunkt darstellen. Der Fonds erklärte in seinem Bericht, dass bei "entschlossener Umsetzung" des Programms und schnellem Aufbau von Reserven die Kreditkosten für Argentinien sinken könnten, was dem Land bis Anfang 2026 wieder Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten verschaffen könnte.

Die kommenden Wochen werden entscheidend sein für die weiteren Entwicklungen an den globalen Finanzmärkten. Besonders im Fokus stehen dabei die kanadischen Verbraucherpreisinflationsdaten am Dienstag und die Zinsentscheidung der Bank of Canada am Mittwoch. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Inflation, die im Februar mit 2,6 Prozent einen Achtmonatshöchststand erreichte, und der sich verschlechternden Beschäftigungszahlen befindet sich die Zentralbank in einer schwierigen Lage, während sie gleichzeitig die Auswirkungen der US-Handelspolitik bewerten muss.

Über Felix Baarz 100 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.